Bundestagswahl:Im Rollstuhl zur Abstimmung

Behindertenbeauftragte loben Stadt für barrierefreie Wahllokale

Von Marco Wedig

"Geh wählen", diese Worte hört man in den letzten Tagen immer häufiger. Doch was ist mit den Menschen, die nicht ins Wahllokal gehen können, weil sie im Rollstuhl sitzen oder weil sie wegen ihrer Blindheit dort Gefahr laufen zu stolpern? Bis zuletzt lautete für viele betroffene Münchner die Antwort: Briefwahl. Das hat sich geändert. Wenn am kommenden Sonntag die Wahllokale für die Bundestagswahl öffnen, können weitaus mehr Menschen ihre Stimme vor Ort abgeben als in den Jahren zuvor. Behindertenbeauftragte und Betroffene loben die Stadt ausdrücklich für ihre Anstrengungen.

492 von 617 Wahllokalen sind mittlerweile barrierefrei. Das bedeutet, dass 79,7 Prozent aller Wahllokale für Rollstuhlfahrende, Gehbeeinträchtigte, Sehbeeinträchtigte, Blinde und kognitiv Beeinträchtige zugänglich sind. Die restlichen 125 Wahllokale sind zumindest teilweise barrierefrei. Zum Vergleich: Zur Europawahl 2014 waren lediglich 21,5 Prozent der Wahllokale vollständig barrierefrei.

"Wir haben einen Riesenschritt nach vorne gemacht", sagt Oswald Utz, der Behindertenbeauftragte der Stadt. Dafür wurde zunächst das Wort Barrierefreiheit neu definiert. Beschränkte es sich bei der letzten Bundestagswahl nur auf Rollstuhlfahrer, wird nun versucht, den Bedürfnissen aller Menschen mit Behinderungen nachzukommen. In Zusammenarbeit mit dem Behindertenbeirat und dem Bundeskompetenzzentrum für Barrierefreiheit wurden Kriterien für barrierefreie Wahllokale festgelegt. Nach diesen darf zum Beispiel eine Rampe für Rollstuhlfahrer maximal eine Steigung von sechs Prozent aufweisen. Für Sehbeeinträchtigte hingegen sollten die Räume kontrastreich gestaltet sein.

Mehr als 500 Einrichtungen, Vereine und Firmen wurden 2015 gezielt angeschrieben, um neue Wahllokale zu gewinnen. Die Stadt war zudem bemüht, möglichst moderne Schulgebäude einzubeziehen. Oswald Utz lobt diese Anstrengungen, genauso wie die neue Kennzeichnung auf dem Wahlzettel. Dort wird die Barrierefreiheit neuerdings leicht verständlich mittels Piktogrammen ausgewiesen. Utz sagt allerdings auch: "Das sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein."

Auch der im Rollstuhl sitzende Autor Max Dorner benutzt dieses Wort. Er findet es gut, dass das Thema so ernst genommen wird. Wenn man überhaupt Kritik äußern wolle, dann könne man fragen: "Warum erst 2017?"

21,3 Prozent der Münchner Wahllokale sind nach wie vor nur teilweise barrierefrei. Monika Burger vom Behindertenbeirat München ist aber niemand bekannt, der wegen seiner Behinderung auf die Briefwahl angewiesen ist. Schließlich besteht auch die Möglichkeit, mit einem Wahlschein in einem anderen Wahllokal zu wählen. "Wir werden uns aber weiterhin für die hundertprozentige Zugänglichkeit für alle Behinderungsarten einsetzen", sagt Burger.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: