Bauarbeiter in München:Schuften zum Hungerlohn

Bauarbeiter in München: Eingepfercht in einem Sechs-Bett-Container-Zimmer warten die Bauarbeiter auf die Auszahlung ihrer Löhne.

Eingepfercht in einem Sechs-Bett-Container-Zimmer warten die Bauarbeiter auf die Auszahlung ihrer Löhne.

(Foto: Catherina Hess)
  • Für teilweise nur 68 Cent pro Stunde haben acht Rumänen anscheinend auf einer Karlsfelder Baustelle gearbeitet.
  • Auch dieser spärliche Lohn sei ihnen teilweise nicht ausbezahlt worden.
  • Jetzt werden die Arbeiter von der Tafel versorgt. Der Zoll ermittelt.

Von Susi Wimmer

Nistor Danut hebt seinen dünnen blauen Pulli und deutet auf seinen Bauch, oder eher dorthin, wo sich früher der Pullover gewölbt hat. Der Gürtel ist eng geschnallt, die Jeans schlackert um seinen Körper. An die 20 Kilo dürfte er abgenommen haben, meint er. Seit Mai, so sagt der rumänische Bauarbeiter, warte er auf seinen Lohn. Er und sieben Landsmänner rackerten sich auf der Baustelle in Karlsfeld ab, wo die Neue Mitte, ein schickes Ortszentrum, entsteht. Sie alle seien anfangs mit ein paar Euro Vorschuss abgespeist worden. Der rumänische Polier der Subunternehmer-Firma sei bei Nacht und Nebel verschwunden und auch der Generalunternehmer, die Wolfratshauser Baufirma Leitner, habe bis dato keine Löhne ausgezahlt. Am Dienstag versorgte die Münchner Tafel die mittellosen Bauarbeiter. Bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe gab die Firma Leitner keine Stellungnahme ab.

1200 bis 1400 Euro könnten sie in Deutschland verdienen, es werde alles bezahlt, man bekomme Verträge, sei versichert und zusätzlich noch 200 Euro auf ein rumänisches Konto. Für Nistor Danut, Marin Iorga, Ion Visan und seine Kollegen klang das Angebot der Firma VPF Beton Construct in Bukarest nur allzu verlockend. "In Rumänien findet man kaum Arbeit, um die Familie zu ernähren, und wenn, dann werden maximal 200 Euro im Monat bezahlt", erzählt einer. Jetzt sitzen die acht im "gelobten Land". In einem miefigen Container-Zimmer in Moosach, Stockbetten, eine Zeitung als Tischdecke, die Gummischlappen stehen neben der Apfelkiste, die die Münchner Tafel spendiert hat. Sechs Männer leben seit April in dem kleinen Raum.

Vorschüsse statt Lohn

Bis dato hätten sie nur Vorschüsse erhalten. Marin Iorga bekam gerade einmal 170 Euro, sagt er. Laut seinen Aufzeichnungen habe er dafür 250 Stunden gearbeitet. Er ernährt sich nur noch von Kartoffeln und Eiern, "Gott sei Dank rauche ich nicht", sagt der gelernte Eisenflechter. Wie der 39-Jährige bei dieser Ernährung täglich Tonnen von Eisen verarbeiten konnte, auf diese Frage hat er nur ein zynisches "Fragen Sie den Bauunternehmer", übrig.

Im Juni platzte ein paar Männern der Kragen. Sie meldeten die Zustände beim Zoll, der rückte an zwei Tagen zur Kontrolle an. Er trifft nach Angaben der acht aber nur auf Arbeiter, die auf Anweisung des Poliers erzählen, sie hätten acht Stunden gearbeitet und eine Stunde Mittagspause gemacht. Tags darauf seien diese Arbeiter weg gewesen. Die acht aber wollten dieses Spiel nicht mitspielen und sagten die Wahrheit. Sie erzählten von Hungerlöhnen, falschen Versprechungen, Arbeitszeiten von bis zu 14 Stunden am Tag. Woraufhin sie der rumänische Polier von der Baustelle verwiesen habe.

Die Arbeiter wollen die Wahrheit sagen

Zu dem laufenden Verfahren will sich das zuständige Hauptzollamt Landshut nicht äußern. Die acht Arbeiter holten sich bei der DGB-Beratungsstelle Faire Mobilität Hilfe. DGB-Mann Bojidar Beremski versucht seitdem, den Arbeitern zu ihren Löhnen zu verhelfen. Jetzt hat er eine Liste aufgestellt, auf denen die Vorabzahlungen, die geleisteten Stunden und die fehlenden Löhne aufgeschlüsselt sind. Da steht eben jener Marin Iorga mit seinen 250 Arbeitsstunden, für die er umgerechnet einen Nettolohn von 0,68 Euro pro Stunde erhalten haben soll. "Alle Forderungen haben wir nun an den Generalunternehmer gefaxt", sagt Beremski. Seit März sei dies nun der vierte Fall auf den Baustellen des Generalunternehmers. Vorher seien es slowenische Subunternehmen gewesen.

Bei der rumänischen VPF Beton Construct ist für die Arbeiter niemand mehr erreichbar. Und laut einem neuen Gesetz, muss der Generalunternehmer den Mindest-Nettolohn auszahlen. Ein Vertreter der Wolfratshauser Baufirma Leitner soll vor gut einer Woche tatsächlich die Arbeiter in dem Container-Verschlag besucht und ihnen ein Angebot unterbreitet haben. Er werde alles klären und wiederkommen, soll er gesagt haben. Darauf warten die acht Bauarbeiter bis heute.

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