Bau:In Würde altern

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Behutsam hat die Industrie- und Handelskammer ihr historisches Stammhaus in der Innenstadt saniert. Billig war das mit 89 Millionen Euro zwar nicht, aber sie bekommt viel Lob von Denkmalschützern

Von Alfred Dürr

Sie sind monumental und repräsentativ, im Hinblick auf Baustil und Konstruktion allerdings völlig unterschiedlich. Und dennoch wirken sie wie zusammengewachsen und bilden tatsächlich eine Einheit. Die beiden historischen, um einen gemeinsamen Hof angeordneten Komplexe mit den Adressen Maximiliansplatz 8 und Max-Joseph-Straße 2 stehen für ein bedeutendes Stück Münchner Wirtschaftsgeschichte. Hier ist die Keimzelle und das einstige Zentrum der Börse und der Handelskammer. Nach fast zehn Jahren Planungs- und Bauzeit ist die Generalsanierung des denkmalgeschützten Stammhauses der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern (IHK) nahezu abgeschlossen.

Neu gestaltet ist der überdachte Innenhof. Gut zu erkennen ist, wie sich die beiden Gebäude der IHK aneinanderfügen. (Foto: Corinna Guthknecht)

Die modern gestalteten Büros sind bereits bezogen, auch die 175-Jahr-Feier der IHK hat Ende April in den frisch hergerichteten Räumlichkeiten stattgefunden. In den beiden großen Versammlungssälen aber sind noch die Handwerker tätig. Mathias Pfeil, der Generalkonservator des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege, zieht eine positive Bilanz. Das Ensemble hebe sich nicht nur wegen seiner städtebaulichen und historischen Bedeutung vom Münchner Baugeschehen ab. Hier gehe es eben nicht um ein Investorenprojekt mit der Umwandlung in Büros, Wohnungen oder Geschäfte und einem Höchstmaß an Rendite. Das Gebäude dient wieder seinem ursprünglichen Zweck. Es sei gelungen, bei den Eingriffen in den Bau möglichst wenig von der historischen Substanz preiszugeben.

Lob kommt von Denkmalschützern. (Foto: Corinna Guthknecht)

Die Geschichte der Generalsanierung war langwierig und teilweise turbulent. Sie begann mit einer Hiobsbotschaft. Ende 2010 wurde nach einem größeren Wasserschaden das Mauerwerk gründlich untersucht. "Man hat gesehen, dass der Mörtel die Steine nicht mehr zusammengehalten hat", berichtet IHK-Hauptgeschäftsführer Manfred Gößl. Bei den Decken gab es Probleme mit der Tragfähigkeit - Büros mussten aus Sicherheitsgründen geräumt werden. Sollte ein Umzug für immer stattfinden? Gößl sagt, man habe Alternativen zum Stammhaus geprüft, etwa ein neues Domizil in den Gebäuden der Hypo-Vereinsbank an der Kardinal-Faulhaber-Straße. Doch das habe sich als keine gute Lösung herausgestellt: "Ein viel zu verschachtelter Bau." Für die IHK war schließlich klar: "Wir gehen nicht weg, wir haben eine Verpflichtung auch gegenüber den kommenden Generationen, dass unser Stammhaus wieder hergerichtet wird."

Treppenhäuser und Fenster im ehemaligen Börsensaal stammen zum Großteil noch aus der Bauzeit des Komplexes an der Max-Joseph-Straße 2. (Foto: Corinna Guthknecht)

1890 gewann der Architekt Friedrich von Thiersch den Wettbewerb für das Haus für Handel und Gewerbe auf dem Areal eines Hotels mit Restaurant an den damaligen Eschenanlagen (heute Maximiliansanlagen). 1901 war der Komplex mit dem Cafe-Restaurant "Neue Börse" fertig. Im Obergeschoss befand sich der große Börsensaal. Die Räume hinter der außerordentlich prächtigen Fassade waren mit edlen Holzverkleidungen, hochwertigen Fliesen und mit Stuck ausgestattet.

Ein Grundgedanke war, die historischen Innenräume wieder instand zu setzen und den Büros eine zeitgemäße Gestaltung zu geben. (Foto: Corinna Guthknecht)

1911 wurde ein Wohn- und Geschäftshaus angebaut, das Gabriel von Seidl entworfen hatte. Thiersch (Justizpalast am Stachus, Bernheimer-Palais am Lenbachplatz, Brücken über die Isar) und Seidl (Bayerisches Nationalmuseum, Rondellbauten am Stachus) zählen zu den Architekten, die das Gesicht Münchens geprägt haben. 1935 erwarb die Kammer dieses Gebäude, in dem sich unter anderem eine Kunsthandlung befand. Im Krieg wurde der Komplex schwer zerstört, in den Sechzigerjahren erfolgte ein größerer Umbau. Damals wurde unter anderem aus dem früheren Börsensaal ein großer Versammlungssaal für die Kammer.

Das historische Stammhaus der Industrie- und Handelskammer wurde für insgesamt 89 Millionen Euro saniert. (Foto: Corinna Guthknecht)

Doch nicht nur die Innenraumgestaltung macht den Komplex zu etwas Besonderem. Die beiden zusammengehörenden Denkmäler sind von ihrer Lage zwischen der historischen Altstadt und der Anfang des 19. Jahrhunderts als Stadterweiterung angelegten Maxvorstadt von städtebaulicher Bedeutung. Die Gebäude stehen zum Großteil auf dem vor 200 Jahren aufgefüllten Festungsgraben. Dieses Material hat an Stabilität verloren, dazu kommen Kriegsschäden, die nur notdürftig repariert wurden.

Insgesamt 89 Millionen Euro hat die Sanierung gekostet. Das liegt 16 Millionen Euro über der ursprünglich veranschlagten Summe. Aber von einer Kostenexplosion wollen weder Pfeil noch Gößl sprechen. "Wenn man die Baukostensteigerungen berücksichtigt und den hohen Aufwand für Brandschutzmaßnahmen und für die Barrierefreiheit, hat man fast schon eine Punktlandung geschafft", sagt Pfeil.

Noch immer nicht ausgestanden ist der Gerichtsstreit zwischen der IHK und dem ursprünglichen Generalplaner für die Sanierung. Die IHK gibt darüber keine Auskunft. Es kam zum Zerwürfnis, weil man sich offenbar nicht einig darüber wurde, wie radikal in die historische Substanz eingegriffen werden soll. Das Berliner Büro Anderhalten Architekten übernahm schließlich die Sanierung. Diese lebt auch aus der Spannung zwischen Alt und Neu. Das Münchner Büro m2plan.Architekten hat für die Decke des großen Kammersaals ein modernes Konstrukt mit goldfarbenen Elementen aus Metallgewebe entworfen. Dieses ist noch in der Planung, genauso wie die Ausgestaltung des prunkvollen Treppenhauses mit einer Leuchtschrift.

© SZ vom 14.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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