Armutsbericht:Immer mehr Münchner sind arm

Die Schere zwischen Arm und Reich hat sich in München noch weiter geöffnet: Fast jeder Fünfte lebt inzwischen an der Armutsgrenze oder darunter. Gleichzeitig steigen die Einkommen der Reichen stark an.

Sven Loerzer

Ilse Aigner besucht 'Münchner Tafel'

Bedürftige stehen am Stand der Münchner Tafel in der Großmarkthalle für Lebensmittel an. Laut des Entwurfs des Münchner Armutsberichts sind immer mehr Menschen in der Landeshauptstadt arm.

(Foto: dpa)

Fast jeder fünfte Münchner ist arm oder von Armut bedroht. Etwa 253.800 Menschen leben unterhalb oder am Rande der Armutsrisikogrenze, knapp 120.000 sind dabei auf staatliche Unterstützungsleistungen angewiesen. Diese Zahlen gehen aus dem Entwurf des Münchner Armutsberichts hervor, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Das mehr als 100 Seiten umfassende Werk soll im November dem Stadtrat vorgestellt und anschließend veröffentlicht werden.

25 Jahre nachdem München als erste deutsche Stadt einen Armutsbericht vorgelegt hat, stellt das Sozialreferat die Erhebung auf eine neue Grundlage. Erstmals wird der Anteil der Bevölkerung, die von Armut gefährdet ist, an den Münchner Einkommensverhältnissen gemessen. Die Münchner Armutsrisikoschwelle beläuft sich demnach für einen Einpersonenhaushalt auf 1000 Euro.

In der Bundesstatistik gelten Menschen als arm, wenn sie weniger als 952 Euro monatlich zur Verfügung haben. Für einen Haushalt mit zwei Erwachsenen liegt die Münchner Risikoschwelle bei 1500 Euro. Kommt noch ein Kind unter 15 Jahren hinzu, liegt die Schwelle bei 1800 Euro, bei Alleinerziehenden mit einem Kind bei 1300 Euro. Menschen gelten nach den Kriterien dann als armutsgefährdet, wenn sie weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Vergleichsbevölkerung haben.

Gegenüber 2005, als noch knapp 160.000 Münchner als arm galten, ergibt sich zwar ein deutlicher Anstieg auf nun 203.800. Beide Zahlen sind aber nicht unmittelbar vergleichbar, denn die Daten von 2005 beziehen sich noch auf die damals deutlich geringere bundesdurchschnittliche Armutsgrenze. Insgesamt dürfte die Armutsquote jedoch annähernd gleich geblieben sein. Rechnet man noch die etwa 50 000 Menschen dazu, die am Rande der Armutsrisikogrenze leben, liegt der Anteil der Bevölkerung, die nur über geringes Einkommen verfügt oder staatliche Unterstützung benötigt, bei knapp 18 Prozent.

Viele bleiben lange ohne Job

Die Schere zwischen Arm und Reich hat sich in den letzten fünf Jahren in München noch weiter geöffnet: Das Fünftel der Bevölkerung mit den höchsten Löhnen und Gehältern verfügt jetzt über 46 Prozent des monatlichen Gesamteinkommens, während es vor fünf Jahren erst 36 Prozent waren. Selbst die Hälfte der Reichen hält nach der Münchner Bürgerbefragung, die zusätzliche Daten für den Armutsbericht lieferte, die sozialen Unterschiede in München für zu groß.

In der Innenstadt und In-Vierteln wie Au-Haidhausen geht die Armut zurück, in den Randbezirken, wo sie ohnehin schon vergleichsweise hoch war, wächst sie weiter. So hat Ramersdorf-Perlach mit 12,3 Prozent den höchsten Anteil an Beziehern staatlicher Unterstützungsleistungen, gefolgt von Milbertshofen-Am Hart mit 11,9 Prozent. Im Bezirk Altstadt-Lehel dagegen ist der Anteil auf 3,4 Prozent gefallen, stadtweit der niedrigste Wert.

Trotz des günstigen Arbeitsmarktes bleiben Viele lange ohne Job. Circa 14 000 Münchner leben bereits seit mehr als fünf Jahren von Hartz IV. Und immer mehr Kinder unter 15 Jahren müssen von Hartz IV leben. Verglichen mit anderen Städten ist die Situation in München zwar noch sehr günstig. Doch diese Kinder wachsen unter schwierigen Bedingungen auf: Zwei Drittel der armen Familien leben in überbelegten Wohnungen, arme Haushalte müssen im Schnitt die Hälfte ihres Nettoeinkommens für die Kaltmiete ausgeben.

Überdurchschnittlich stark von Armut betroffen sind zudem Migranten. Ihre Kinder schaffen es seltener auf weiterführende Schulen, brechen häufiger ihre Ausbildung ab und haben dann nur wenig Chancen auf einen Beruf. Stärker in den Blick nehmen will das Sozialreferat die Armut bei älteren Menschen. Auch ihre Zahl steigt Jahr für Jahr.

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