Ärger über Konzertsaal-Entscheidung:"Eine Spirale der Idiotie"

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"Wir beginnen mit dem Abriss auf Befehl von ganz oben": Schauspieler des Tams-Theaters am Samstag im Gasteig. (Foto: Hilda Lobinger/OH)
  • Der Zorn der Münchner Konzert- und Kulturfreunde über die Entscheidung, den Gasteig zu sanieren statt einen neuen Konzertsaal zu bauen, ist groß.
  • Bis zum Sonntagabend hatten mehr als 14 000 Menschen eine Online-Petition für den Bau eines Konzertsaals im Finanzgarten unterschrieben.
  • Kunstminister Ludwig Spaenle bereitet dessen ungeachtet für das bayerische Kabinett eine Entscheidungsvorlage zu dem Gasteig-Plan vor - und wird für manche seiner Aussagen hart kritisiert.

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Das geht dann noch schneller, als es Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) und Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) versprochen hatten: Die Philharmonie am Gasteig wird schon am Samstagabend, kurz nach halb sieben Uhr, zur Baustelle. Die Arbeiter tragen Helme und Leuchtwesten, einer spannt ein rot-weißes Absperrband und schneidet den Besuchern des Abokonzertes der Münchner Philharmoniker den Weg ab. Er ruft: "Wir beginnen jetzt abzureißen!" Prompt kommen Sicherheitsmänner. "Wer ist hier der Verantwortliche?", will einer von ihnen wissen. "Der Herr Reiter", antwortet ein Bauarbeiter, "das ist ein Befehl von ganz oben".

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In Wahrheit steckt hinter der Aktion natürlich nicht der Oberbürgermeister - sondern eine Gruppe Schauspieler des Tams-Theaters. Deren Mitglieder haben sich ziemlich geärgert über die Entscheidung von Reiter und Ministerpräsident Seehofer, den Gasteig zu sanieren statt einen neuen Konzertsaal zu bauen. "Eine Spirale der Idiotie schraubt sich in die Münchner Kulturlandschaft", heißt es in einer Pressemitteilung des Ensembles. Also lassen die Schauspieler ihrer Wut freien Lauf und demonstrieren am Samstagabend, wie es in ein paar Jahren im Gasteig ausschauen könnte: eben wie auf einer Baustelle.

Die Orchester müssten dann ausweichen - und womöglich in einem Zelt musizieren. Viele Konzertgänger teilen die Wut der Theatergruppe auf die Politiker. "Das ist ein Banause", sagt etwa ein älterer Herr über den OB. Die Aktion ist schnell vorbei. "Fünf Minuten" gibt ein Sicherheitsmann den Protestlern, "dann rufen wir die Polizei." Die falschen Bauarbeiter packen zusammen, dann gehen sie. "Bis demnächst", ruft ihnen einer der Sicherheitsmänner hinterher. Wahrscheinlich ahnt er, dass es nicht der letzte Protest gewesen ist.

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Denn der Zorn der Konzert- und Kulturfreunde über die Seehofer-Reiter-Vereinbarung reißt nicht ab. Bis zum Sonntagabend hatten mehr als 15 000 Menschen eine Online-Petition für den Bau eines Konzertsaals im Finanzgarten unterschrieben. Erst am Mittwoch hatte die Münchner Pianistin Valentina Babor die Petition ins Netz gestellt. Von dem raschen Erfolg ist die 25-Jährige selbst überrascht. "Das Beste ist, dass sehr viele auch ganz engagiert kommentieren", sagt sie. So auch große Musiker wie etwa der Bariton Thomas Quasthoff: "Die bayerische Landesregierung sonnt sich nur in der Kulturszene, wenn es werbefördernd für sie selbst ist. Es stinkt zum Himmel", kommentiert er.

"Schriller Ton" in der Debatte?

Die Wut der Musikfreunde überrascht Valentina Babor nicht. "Es ist eine völlig unüberdachte Entscheidung, die so viele Musiker und ihr Publikum betrifft", sagt die 25-Jährige. Sie selbst steht kurz vor ihrem Masterabschluss an der Musikhochschule und ist völlig entsetzt, dass diese nun auch noch Räume im Gasteig verlieren wird. Kunstminister Ludwig Spaenle bereitet dessen ungeachtet für das bayerische Kabinett eine Entscheidungsvorlage zu dem Gasteig-Plan vor.

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Am Freitag hatte er sich via dpa zu dem Proteststurm geäußert. Er könne Enttäuschung verstehen, sei aber verwundert, dass niemand "sich mit den Elementen dieses Konzepts" auseinandersetze. "Damit bekommen beide Orchester eine Planungssicherheit", so Spaenle. Er sei erstaunt, "wie schrill der Ton in dieser Debatte ist".

Das griff am Freitag Bariton Christian Gerhaher bei seinem Konzert in der Philharmonie auf. Wie am Vorabend griff er während des Applauses für ihn zum Mikrofon. Mit dem "schrillen Ton" könne Spaenle nur die eigene Staatsregierung meinen. Diese hatte Star-Geigerin Anne-Sophie Mutter scharf kritisiert, weil sie Seehofer Wortbruch vorgeworfen hatte. Gerhaher sagte, das sei Ausdruck der Nervosität der Staatsregierung. "Ich möchte Sie bitten, diese Nervosität durch Ihr Engagement und Ihren Widerspruch aufrechtzuerhalten, solange es geht", sagte der Sänger. Der Saal jubelte frenetisch.

© SZ vom 09.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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