Subkultur-Café:Das "404 page not found" ist Geschichte

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Abseits des Mainstreams: (von links) Louis Grünwald, Florian Schönhofer und Tuncay Acar sind noch auf der Suche nach Räumen für ihr Projekt. (Foto: Stephan Rumpf)

Ein Jahr lang gab es das "404" im Gärtnerplatzviertel - es war Café, Bar und Veranstaltungsort zugleich. Die Betreiber suchen nun nach neuen Räumen. Was an die alte Stelle kommt, steht schon fest.

Von Ilona Gerdom, Isarvorstadt

Ein schwacher Lichtschein fällt durch ein Fenster auf einen Gehweg nahe des Gärtnerplatzes. Hinter der Scheibe steht ein Regal. 210 leere Bierflaschen sind nebeneinander auf sechs Bretter gereiht. In jedem der braunen Glasgefäße leuchtet eine Glühbirne. Sie tauchen das "Café 404 page not found" an der Corneliusstraße in schummriges Licht. Richtig heimelig fühlt es sich trotzdem nicht an. Noch vor ein paar Wochen war das anders. Ein wild zusammengewürfeltes Sammelsurium an Tischen, Stühlen und Sofas lud ein, Platz zu nehmen. Nun sind viele der Möbel nicht mehr da, denn seit 25. Dezember ist das Café geschlossen. Ein Jahr lang konnte man tagsüber bei Kaffee zusammensitzen, abends ein, zwei oder auch mal mehr Feierabendbiere trinken und ein ungewöhnliches Kulturprogramm genießen.

Es ist nicht so, dass das 404 schlecht gelaufen wäre. Im Gegenteil: Von Anfang an war das Café mit dem legendären Computerfehlercode im Namen gut besucht. Die Schließung ist trotzdem keine Überraschung, denn es war eine Zwischennutzung von zwölf Monaten vereinbart. "Wir waren hier so eine Art Lückenfüller", sagt Louis Grünwald. Er sitzt auf einer breiten Fensterbank. Das rechte Bein hat er angewinkelt, das andere baumelt lässig herunter. Eins seiner Hosenbeine ist hochgerutscht und offenbart seine gestreiften Socken. Auch sonst sieht Grünwald eher aus, wie einer, der hier abends ein Bier trinkt. Mit seiner schwarzen Mütze auf dem Kopf und dem Ring im Ohr wirkt er nicht wie einer der Betreiber. Das weiß er: "Ich bin nicht gerade das, was man unter einem Paradegastronom versteht."

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Eigentlich wollte er auch keiner sein. Nach seinem Abitur war er viel in der Welt unterwegs, hat mal hier und mal da gearbeitet. In einem Computerladen, als Lagerist, schließlich schenkte er hinter der Bar im "Café Kosmos" aus. Dort lernte er Florian Schönhofer kennen. Zusammen mit Hajo Bahner beschlossen sie, das 404 zu eröffnen. Dem neuen Lokal lag ein simples Konzept zugrunde. Es könne ja nicht so schwer sein, zu einem anständigen Preis was Ordentliches zu trinken, habe sich Grünwald gedacht. So bekam man im 404 ein Bier schon für 2,60 Euro. Lange Zeit war hier das "Café Forum". Das kann man heute noch sehen. Ein Teil des ehemaligen Tresens schmückt die Decke in Form kleiner herunterbaumelnder Holzstifte. Der andere diente auch im 404 als Ausschank. Dahinter ist mit schwarzer Farbe die Getränkekarte an die Wand gepinselt.

Nur eine Bar zu betreiben, war Grünwald nicht genug. Deshalb holte er Tuncay Acar mit ins Boot. "Tuncay ist ein bunter Hund in der Münchner Kulturszene", sagt Grünwald. Acar selbst bezeichnet sich als Musiker und Kulturschaffender. Außerdem ist er im Vorstand der Glockenbachwerkstatt und hat das Import/Export mitgegründet. Genau der Richtige, um den Veranstaltungskalender des 404 zu füllen. Im Mittelpunkt sollte die Beziehung von Mensch und Digitalisierung stehen. Genauer gesagt: "die digitale Gesellschaft und unsere Online-Persönlichkeit".

Sowohl Grünwald als auch Acar finden, dass Menschen digitale Medien zwar "exzessiv konsumieren", eine richtige Auseinandersetzung aber fehle. Deshalb kamen Referenten, die Facebook erklärten oder Einblicke in das Leben des Amazon-Gründers Jeff Bezos gewährten. Nicht nur Pop-Themen hätte man behandelt, sondern sei auch ins Detail gegangen, zum Beispiel bei Vorträgen zur Blockchain. "Wir wollten die Filterblase durchbrechen", sagt Grünwald. Das Zwanglose gefiel den Gästen. "Wer keine Lust mehr hatte, konnte einfach wieder an die Bar gehen, sich was zu trinken holen und sich mit Freunden zusammensetzen", erklärt Grünwald.

Die Wand aus Flaschen trennt den großen Raum in zwei Teile. Außerdem gibt es noch ein Nebenzimmer mit Bänken und Tischen. Die Aufteilung nutzte das junge Team für ein musikalisches Programm. Bands spielten und DJs, fernab des Mainstreams, legten auf. Damit war es schnell vorbei - im April beschwerten sich Anwohner über die Lautstärke. In den folgenden Monaten konzentrierte sich Acar auf die Organisation von Vorträgen und Ausstellungen. Im Herbst und Winter seien zwei bis drei Referenten in der Woche da gewesen. An die 15 Münchner Künstler konnten ihre Werke ausstellen.

Prinzipiell könnte sich Tuncay Acar vorstellen, das Café weiter zu unterstützen, je nachdem wie viele Kapazitäten er habe. Bisher ist allerdings gar nicht klar, ob, wo und wann das 404 wieder aufmacht. Grünwald will das Projekt - so nennt er das Café - weiterführen. Dazu braucht er erst einmal Räume, die er zur Zwischennutzung mieten kann. In München sei das gar nicht so leicht. Verlässt man das Lokal, sieht man einen ausgeblichenen Zettel an der Eingangstür. Mit schwarzem Filzstift hat jemand geschrieben: "Ey, nach 22 Uhr keine Getränke draußen und PSST, ge". Von jetzt an kann sich jedenfalls keiner über die Lautstärke der Gäste des 404 beschweren. Ganz ruhig bleibt es trotzdem nicht: Bald wird ein mediterranes Restaurant einziehen.

© SZ vom 04.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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