10 Jahre Eine-Welt-Haus:Vereinte Nationen

Mit Globalisierungsgegnern in der "Weltwirtschaft": Seit zehn Jahren ist das Eine-Welt-Haus ein Treffpunkt für das alternative München. An diesem Wochenende feiert die Einrichtung Geburtstag. Es ist ein hart erkämpftes Jubiläum - denn unter Politikern ist das Projekt umstritten, manche würden es gerne schließen.

Sven Loerzer

Noch geht es in der "Weltwirtschaft" recht ruhig zu. Der Boom setzt erst zur Mittagszeit ein, dann füllt sich der Biergarten, ein echtes Hinterhofidyll, nicht weit vom Hauptbahnhof. Im Eine-Welt-Haus, zu dem die "Weltwirtschaft" in der Schwanthalerstraße 80 gehört, laufen an diesem Tag zahlreiche Deutschkurse. Am Abend trifft sich der Attac-Chor. Oder es kommen die Anonymen Alkoholiker zusammen. Und der Esperanto Klub. Da wird über "Peru nach den Wahlen" informiert oder zur Naturkost-Fachkraft ausgebildet.

Kleidertausch Eine-Welt-Haus

Eine bunte Mischung bekommt man im Eine-Welt-Haus eigentlich immer - egal ob beim Kleidertausch (Bild), Diskussionsabenden, Attac-Chor oder Esperanto-Klub. Das Haus hat für alle Nationalitäten Platz und ist für alle Themen offen.

Vielfalt ist Programm, alle großen und kleinen Themen dieser Welt und alle Nationalitäten haben Platz. Auch die vielen Topfpflanzen, die Sigrid Schacht, Vorstand des Trägerkreises des Eine-Welt-Hauses, vom Grünabfall des Waldfriedhofs gerettet hat. Nicht jede einzelne ist unbedingt das, was auf den ersten Blick gefällt, aber alle zusammen geben dem Haus Atmosphäre.

Auf jährlich mehr als 4 500 Veranstaltungen und mehr als 70 000 Besucher kommt das Eine-Welt-Haus. In der Bibliothek können Interessierte Weltliteratur und Weltmusik kostenlos entleihen, in einem Weltladen gibt es Produkte aus fairem Handel. Regelmäßig nutzen mehr als 90 Vereine und Gruppen die günstigen Räume. Es ist eine ziemlich bunte Mischung, sehr viele Zusammenschlüsse sind länderbezogen, von Angola bis Venezuela. Als Dauernutzer sind das Nord-Süd-Forum, das Dritte-Welt-Zentrum, das Interkulturelle Forum oder die Rechtshilfe für Ausländerinnen fest mit dem Haus verbunden. Am Samstag feiert das Haus mit einem großen, öffentlichen Fest von 14 Uhr an mit Musik, Tanz und Kabarett sein zehnjähriges Bestehen.

Doch so hoch das Haus bei vielen Münchnern im Kurs steht - die Einrichtung war von Anfang an umstritten. Während der grüne Bürgermeister Hep Monatzeder seine Glückwünsche schickte und von einem "lebendigen und bunten Ort des Dialogs" sprach, der aus München nicht mehr wegzudenken sei, machen CSU und FDP keinen Hehl daraus, dass sie es lieber geschlossen sähen.

Erst im Oktober vergangenen Jahres scheiterte ein entsprechender Antrag an der rot-grünen Mehrheit im Kulturausschuss. Die CSU stößt sich an einigen Besuchergruppen: Im Eine-Welt-Haus treffen sich die Gegner der Sicherheitskonferenz ebenso wie die Globalisierungsgegner von Attac, Streit gibt es auch immer wieder um die "Palästinatage". Zum zehnten Geburtstag meldete sich CSU-Stadtrat Marian Offman zu Wort, weil er "Trotzkisten im Eine-Welt-Haus" entdeckt hat, das der Stadt gehört, die die Arbeit des Trägerkreises mit einem Zuschuss von rund 300 000 Euro finanziert. Eine offenbar linksradikale Organisation, die für den Sozialismus kämpfe und eine "Arbeiterregierung" fordere. Darf man so eine Organisation in vom Steuerzahler finanzierte Räume lassen?

Eine Frage, die Anna Regina Mackowiak und Sigrid Schacht, die zu den Mitgründerinnen des "Dritte-Welt-Cafés" gehören, aus dem das Eine-Welt-Haus entstand, kennen und die sie deshalb nicht mehr aus der Fassung bringt. "Da hocken fünf Leute in einer kleinen Arbeitsgruppe und diskutieren die Geschichte der Arbeiterbewegung - das ist so was von gefährlich."

Gefährlicher findet Mackowiak den Antrag der CSU, die von Zuschussempfängern künftig eine Extremismusklausel unterschrieben haben will: Sie sollen sich zur freiheitlich demokratischen Grundordnung bekennen und darauf auch bei der Wahl ihrer Vertragspartner achten. Eine kritische Haltung, auch gegenüber dem Staat, gehöre aber zum Wesen einer lebendigen Demokratie, sagt Makowiak.

Keine Vollstreckungsgehilfen

Das Eine-Welt-Haus will sich deshalb dagegen wehren, dass "den Gruppen, die nicht brav sind, der Geldhahn abgedreht wird". Zuschussempfänger wie das Eine-Welt-Haus dürften nicht zur "Zensur- und Kontrollinstanz" gemacht werden. "Wir lassen uns nicht zum Vollstreckungsgehilfen des Verfassungsschutzes machen", sagt Mackowiak. Ohnehin hielten dessen Bewertungen einer gerichtlichen Nachprüfung nicht immer stand.

Ähnlich war es auch bei einem Polizeieinsatz im Eine-Welt-Haus im Jahr 2006, den der Bayerische Verwaltungsgerichtshof im Nachhinein als rechtswidrig einstufte. Linke Gruppen hatten zu einer Diskussion über rechte Gewalt eingeladen, zu der auch zwei Polizeibeamte in Zivil erschienen. Als sie vom Versammlungsleiter des Saales verwiesen wurden, kamen sie mit Verstärkung zurück. Das Gericht urteilte, dass die Polizei die Veranstaltung nicht ohne konkreten Anlass besuchen dufte. Hinweise auf eine zu erwartende Störung gab es nicht. Die CSU hatte nach dem Einsatz, wie so oft, die Schließung des Hauses gefordert.

Verhängnisvoller wäre für das Eine-Welt-Haus beinahe gewesen, dass der ursprüngliche Gastronomie-Betrieb nur acht Wochen nach seiner Eröffnung Insolvenz anmelden musste. In der Folge trennte sich das Haus von seinem Geschäftsführer, aber die Folgen belasten es noch heute: Rund 15000 Euro Darlehen müssen noch zurückgezahlt werden. Zwar hat das Haus viele Spenden erhalten, "aber unser Wunsch, bis zum Jubiläum schuldenfrei zu sein, hat sich nicht erfüllt", bedauert Mackowiak.

Zum Jubiläum hat sie vor allem einen Wunsch: Mehr jüngere Leute zu gewinnen. "Viele Gruppen gibt es schon lange, die Leute sind schon älter, weil sie schon seit 20, 30 Jahren dabei sind. Wir müssen uns überlegen, wie wir an junge Leute herankommen. Vielleicht sind wir zu eingefahren in unseren Arbeitsstrukturen." Auf keinen Fall aber solle aus dem Eine-Welt-Haus ein "unpolitischer Servicebetrieb" werden, sagt Sigrid Schacht. "Dafür haben wir das nicht aufgebaut."

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