Rudern über den Atlantik:Erfolg beginnt im Kopf

Eine Entsalzungsanlage, eine Vierteltonne an Verpflegung und ein Feuerlöscher: So wollen Barbara Schwarzmann und Anton Weikmann aus Bad Tölz über den Atlantik rudern.

Suse Bucher-Pinell

Sport war schon immer ihr Ding. In Mathe, Latein oder Englisch konnte sie zwar nie richtig punkten. Aber in Sport, da hatte sie eine Eins, ihre einzige im Zeugnis. Diese Erfolge gaben ihr von jeher ein Gefühl tiefer Zufriedenheit und waren der Ausgleich für Misserfolge in anderen Bereichen. Jetzt steht sie vor der bisher größten sportlichen Herausforderung ihres Lebens.

Ozeanrudern Atlantiküberquerung

Ihr Zuhause für 100 Tage. Mit der Santa Maria wollen Barbara Schwarzmann und Anton Weikmann über den Atlantk rudern.

(Foto: Manfred Neubauer)

Barbara Schwarzmann aus Sachsenkam bei Bad Tölz will mit einem Ruderboot den Atlantik überqueren. 3000 Seemeilen zwischen dem marokkanischen Agadir und der Antillen-Insel Barbados. 100 Tage nur von Wasser umgeben, Wind und Wetter ausgesetzt. Tag und Nacht immer dasselbe: rudern.

Die 46-Jährige will als erste Deutsche in die Geschichte der Ozeanruderei eingehen, die immer mehr Anhänger findet. Ursprünglich wollte sie das Wagnis ganz alleine auf sich nehmen, doch dann war ihr alter Freund Anton Weikmann von ihrer Idee so begeistert, dass er mitmachte. Alleine hätte er die Expedition nicht gewagt. Zu zweit ist er von dem Gelingen "zu 100 Prozent" überzeugt.

Barbara Schwarzmann hatte sowieso nie Zweifel. Und so wollen sich die beiden auch noch zum ersten deutschen gemischten Zweierteam unter den Ozeanruderern adeln lassen. Am späten Sonntagabend sind sie mit ihrem Schiff auf dem Anhänger losgefahren, Richtung Süden.

Barbara Schwarzmann ist eine zierliche Frau mit wildem, dunkelblondem Lockenkopf, zarten Händen und leiser, ruhiger Stimme. Fast scheu wirkt sie, wenn sie von ihrem großen Vorhaben erzählt. "Ich würde mir die Reise nie zutrauen, wenn ich nicht andere sportliche Events gemacht hätte, aus denen ich gelernt habe", sagt sie.

Langsam hat sie sich herangetastet an diese Dimension des Abenteuers. Von ihren ersten Fahrradexpeditionen durch Skandinavien und Australien über einen 230 Kilometer langen Wüsten-Etappenlauf in Marokko, den "Marathon des Sables", bis zur Winterdurchquerung der norwegischen Hochebene Hardangervidda mit Skiern und Schlitten.

Sie ruderte im Kanu 450 Kilometer durch Kanadas Wildnis und ging in acht Tagen zu Fuß über die Alpen von München nach Belluno. Bisheriger Höhepunkt aber war der "Iditarod Invitational", ein 800-Meilen-Rennen zu Fuß quer durch den eisigen Winter Alaskas.

Dort hörte sie von anderen Teilnehmern von der Überquerung des Atlantiks im Ruderboot. Beide Wettkämpfe haben eine Gemeinsamkeit: einmal gestartet, gibt es kein Zurück. Aufzugeben und sich holen zu lassen wäre mit enormem Aufwand und viel Geld verbunden.

Das war 2003. Seitdem drehen sich die Gedanken der 46-Jährigen, die ein Geschäft für Dekoration hatte und heute freiberuflich beim Einrichten berät, um das ausgefallene Abenteuer zu Wasser. Obwohl von der Idee total infiziert, hatte sie anfangs Schwierigkeiten, sich überhaupt im Boot auf dem Wasser vorzustellen, ohne Land in Sicht.

Schaffe ich das, wenn ich tagelang bei Sturm in der Kabine verbringen muss?, grübelte sie. Es war intensive, mentale Arbeit. "Wenn ich mich in Gedanken in einer Situation sehen konnte, ging ich jeweils einen Schritt weiter." Irgendwann war sie sicher, dass sie es schaffen wird. Der Erfolg beginnt im Kopf.

Ein Boot als Zuhause

Anton Weikmann ist von seiner äußeren Erscheinung her das Gegenteil von Barbara Schwarzmann: ein großer, kräftiger Mann mit dichtem Bart und tief in den Höhlen liegenden Augen. Einer mit derben Händen, die zupacken können. Als selbständiger Garten- und Landschaftsbauer ist es der 47-Jährige gewohnt, hart zu arbeiten und bei Wind und Wetter an der frischen Luft zu verbringen.

Auf diese Kraft und Ausdauer vertraut er beim Extremrudern. Er ist kein Mann vieler Worte. "Wenn ich Zweifel daran hätte, dass es klappt, würde ich nicht mitmachen", sagt er knapp und lacht. Er lacht viel, ein herzhaftes, tiefes Lachen.

7,60 Meter ist die Santa Maria lang, mit der sie in den nächsten Tagen in See stechen wollen. Barbara Schwarzmann hat das hochseetaugliche Boot aus Norwegen überführt und in fröhlichem Gelb-Rot lackiert. Es wird das Zuhause der beiden sein für die nächsten Monate.

Ausgestattet mit einer solarbetriebenen Trinkwasser-Entsalzungsanlage und technischem Equipment wie Radar-Reflektor, automatischem Identifikationssystem und GPS, mit Signalraketen, Feuerlöscher und einem automatischen Rettungsruf fühlen sie sich gut gerüstet. Per Satellitentelefon werden sie regelmäßig Neuigkeiten übermitteln für ihr Internettagebuch auf www.ozeanrudern.de.

Und auch wenn tatsächlich was schief gehen sollte und sie havarierten, haben sie mit einer Rettungsinsel vorgesorgt. "Wir können endlos treiben", sagt Barbara Schwarzmann lapidar, "wir haben für die Insel alles Wichtige zum Überleben zur Verfügung." Angst vor dem Scheitern? "Ich mach' mir doch keine negativen Gedanken", wiegelt sie ab.

250 Kilogramm Lebensmittel sind in einer wasserdicht verschließbaren Kabine am Bug sowie im Schiffsrumpf verstaut, von Instant-Nudeln bis zum Energieriegel. Eine zweite, enge Kabine am Heck ist Wohn- und Schlafzimmer zugleich, wo sich jeweils der ausruhen kann, der gerade nicht rudert.

Im Zwei-Stunden-Rhythmus wollen sie sich abwechseln, nachts alle vier Stunden. Wenn es allerdings zu sehr stürmt, müssen sie beide Pause machen. Doch sie haben bewusst die Wintermonate für die Überquerung gewählt, weil dann keine Hurrikans drohen, sondern Passatwinde sie in ihrer Passage unterstützen.

"Es wird die Reise unseres Lebens", da sind sich beide sicher. Das, was sie vorhaben, als Reise zu bezeichnen, klingt allerdings ziemlich harmlos. Für sie nicht. Barbara Schwarzmann zieht den Vergleich mit den Forschungsreisenden früherer Jahrhunderte. "Was die gemacht haben, war mehr als das, was wir jetzt fabrizieren."

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