Gründer des Freistaats Bayern:Kurt Eisner: Revolutionär und Regierungschef

Gründer des Freistaats Bayern: Eisner, wie ihn die berühmte Fotografin Germaine Krull sah.

Eisner, wie ihn die berühmte Fotografin Germaine Krull sah.

(Foto: Stadtmuseum)

Er rief den Freistaat Bayern aus, wurde erster Ministerpräsident und fiel einem Attentat zum Opfer. Zum 150. Geburtstag dokumentiert das Münchner Stadtmuseum Eisners schillerndes Leben.

Von Karl Forster

Wolfram Kastner ist fast zufrieden. Und das ist schon eine Sensation an sich. Denn der Münchner Künstler ist ja seit Jahr und Tag mit Verve und wilden Aktionen unterwegs, um der Hauptstadt des Freistaates Bayern klar zu machen, dass man endlich dem Gründer eben dieses Freistaates mehr adäquates Gedenken verschaffen solle.

Dass nun also das Münchner Stadtmuseum eine Ausstellung präsentiert mit dem Titel "Revolutionär und Ministerpräsident - Kurt Eisner (1867-1919)" kommt den Kastnerschen Vorstellungen, wie man mit diesem Politiker umzugehen habe, recht nahe. Einen Anlass hat man auch gefunden: Eisners Geburtstag jährt sich am kommenden Sonntag zum 150. Mal. Er wurde am 14. Mai 1867 in Berlin geboren - und 52 Jahre später in München erschossen.

Es war für die beiden Kuratoren Ingrid Scherf (Historikerin, war ganz früher bei der Stadtzeitung Blatt) und Günter Gerstenberg (Historiker, Autor und Eisner-Fachmann) nicht ganz einfach, den sozialdemokratischen Friedensvisionär und die wirren Zeitläufte um ihn herum so darzustellen, dass die Ausstellung auch für jene spannend ist, die Historisches gerne leicht verständlich aufbereitet haben wollen. Doch mit viel Wissen, viel Liebe zum Detail und sehr viel Engagement wurden die zwei Eisner-Räume so gestaltet, dass ein Mann sehr präsent wird, der im wahrsten Sinn des Wortes Geschichte schrieb.

Man habe, sagt Ko-Kuratorin Ingrid Scherf, Eisners Leben und Werk und die politischen Wirrnisse der Zeit wie ein Layout an die Wände des Stadtmuseums gebaut: Eisner wegen Hochverrats im Gefängnis. Eisners Schrift zur "Tragödie des Mittelstandes", jener Schicht also, deren Parolen man heute "ohne weiteres neben die der AfD hängen kann".

Dagegen steht dann Eisners Bekenntnis, dass es kein Brot ohne Frieden und keinen Frieden ohne Revolution geben könne. "Wir haben nicht nur die 100 Tage Eisners als Ministerpräsident zum Thema", so Ingrid Scherf, sondern dessen ganze Geschichte. Denn zum einen ist ja schon das Leben des jüdischen Kaufmannssohnes als Journalist, Autor und späterer Politiker aufs Vielfältigste mit den politischen Ereignissen des frühen 20. Jahrhunderts verbunden.

Zum anderen waren der Erste Weltkrieg und die daraus resultierenden Wirren auch für Kurt Eisner selbst Anlass, seine an Kant orientierten Weltanschauungen mehrmals kritisch zu hinterfragen und gegebenenfalls radikal zu ändern.

Gründer des Freistaats Bayern: Die legendäre Demonstration für die Räterepublik wenige Tage vor Eisners Ermordung.

Die legendäre Demonstration für die Räterepublik wenige Tage vor Eisners Ermordung.

(Foto: Stadtmuseum)

So war er noch zu Anfang der Weltkatastrophe der Meinung, es handle sich um einen gerechten deutschen Verteidigungskrieg gegen die Gefahren, die vom russischen Zarenreich ausgingen. Doch schrieb er schon ein paar Monate nach Beginn der Kämpfe gegen die Kriegsführung des Deutschen Reiches an, was ihm seine erste politische Heimat, die damalige SPD, sehr übel nahm. Eisner fand dann Zuflucht bei der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, der USPD, die für sofortigen Friedensschluss kämpfte.

Das und wie nach Eisners gewaltsamem Tod das Chaos der Räterepublik erst so richtig ausbrach, wäre sicher eine eigene Reflexion wert. Aber auch das Thema Kurt Eisner dürfte viele Zuschauer locken. Verknüpft sich doch sein Leben und Sterben mit den Wirrnissen des ersten großen Krieges und den Umbrüchen des sich dramatisch verändernden sozialen Lebens im längst erwachten, aber noch wenig strukturierten Industriezeitalter.

"Jedes Menschenleben soll heilig sein"

Hier das alte in Auflösung begriffene Kaiserreich, dort die zunehmende Kraft der Arbeiterbewegungen, die sich aber nicht zu einem Strang vereinigter Proletarier formieren konnten. Hier in Bayern das Hause Wittelsbach mit König Ludwig III., von dem das Volk sich verlassen fühlte, dort der aufkeimende Nationalismus mit seinen bösen Nebenerscheinungen; allen voran einem längst schwelenden Antisemitismus, unter dem der Jude Eisner selbst zu leiden hatte. Und der ihn letztlich im Jahr 1919 auch zum Mordopfer machte.

Es war eine Bluttat, wie man sie dramatischer nicht in ein Drehbuch pressen könnte. Der Leutnant des Wittelsbacher-treuen bayerischen Leibregiments Anton Graf von Arco auf Valley lauerte in einer Nische der damaligen Promenadestraße (heute Kardinal-Faulhaber-Straße) Kurt Eisner und seiner Begleitung auf, darunter zwei Leibwächter, wartete, bis diese vorbeigegangen waren und schoss Eisner dann von hinten in Kopf und Rücken. Die Leibwächter ihrerseits streckten den Attentäter nieder, er aber überlebte dank der Operationskunst Ferdinand Sauerbruchs.

Dass der Eisner-Mörder aus St. Martin im Innkreis stammt, welches nur 38 Kilometer von Braunau, Hitlers Geburtsort, entfernt liegt, ist sicher Zufall. Wie wohl auch die Tatsache, dass er, lange nach der Tat, nach Todesurteil, Begnadigung am nächsten Tag, lebenslangem Gefängnisaufenthalt, der nach vier Jahren mit einer Amnestie endete, Mitglied der Verbindung Rhaetia wurde.

Die war damals auch ein Sammelbecken nationalistischer, judenfeindlich gesinnter katholischer Studenten. Kein Wunder also, dass sich ein Mann, der mit dem Satz: "Eisner ist Bolschewist, er ist Jude, er ist kein Deutscher . . ." hausieren ging, dort gut aufgehoben fühlte.

Doch schon 1932 komplimentierten die Rhaetianer die Anhänger der Nationalsozialisten hinaus, ein Jahr später erwarb man ein Haus an der Luisenstraße. In dem unweit liegenden Rhaetenhaus residiert die Studentenverbindung noch heute und hat, neben dem Mörder Eisners, eine ganze Riege kluger Männer auf der Liste der Alten Herren, von den Historikern Karl Bosl und Benno Hubensteiner über den Künstler und Zweiten Münchner Bürgermeister Wilfried Zehetmeier bis zum aktuellen Kultusminister Ludwig Spaenle.

Mit dem Gedenken an Graf von Arcos Opfer tat man sich sehr lange sehr schwer. Am Ort der Tat erinnert seit 1989 eine eingelassene Bodenplatte mit der Lageskizze des Erschossenen an Kurt Eisner. Seit 2011 steht am Oberanger eine Glasskulptur mit Eisners Botschaft: "Jedes Menschenleben soll heilig sein."

Und nun also eine Ausstellung im Stadtmuseum zum Gedenken an den Friedenspolitiker und Freistaatgründer Kurt Eisner. Für den Künstler Wolfram Kastner ist das gut, aber nicht gut genug. Er plädiert dafür, den Marienhof umzubenennen. In Kurt-Eisner-Hof. Das wäre, meint er, dessen würdig. Bis dahin hat München eben nur eine Kurt-Eisner-Straße. In Neuperlach. Sie biegt ab vom Karl-Marx-Ring. Passt auch.

Revolutionär und Ministerpräsident - Kurt Eisner (1867-1919), Stadtmuseum, St. Jakobs-Platz 1, 12. Mai - 8. Oktober, dazu Filmreihe im Filmmuseum: "Die Räterepublik" (16./17. Mai, "Rotmord" (23. Mai, "Revoluzzer, Räte, Reaktionäre" und "Es geht durch die Welt ein Geflüster" (25. Mai).

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