15 Jahre Muffathalle:Die Kulturwerker

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Noch eine Geburtstagsfeier an der Isar: Vor 15 Jahren begann das Experiment Muffathalle. Ein Gespräch mit Dietmar Lupfer und Christian Waggershauser, den Erfindern, Entwicklern und Betreibern der Kultureinrichtung.

Interview: Christoph Wiedemann

Aus der vor 15 Jahren gegründeten Muffathalle ist mittlerweile das Muffatwerk geworden. 3,2 Millionen Besucher haben hier Theaterproduktionen, Tanzaufführungen, Konzerte von Punk bis Pop, dazu Performances, Lesungen und avantgardistische Medienkunst-Spektakel, ganz normale Disko-Abende und mitunter wohl auch protzende Firmenpräsentationen erlebt.

15 Jahre an der Isar: das Muffatwerk (Foto: Foto: oh)

Heute ist das Muffatwerk ein multikultureller Kreuzungspunkt am Fuße des Gasteig, lokal geerdet und international vernetzt. Eine exotische Besonderheit unter den städtischen und staatlichen Kultureinrichtungen Münchens. Sogar einen Biergarten findet man dort. Wie war das möglich? Was ist das Geheimnis dieser speziellen Kultur-Mischung? Und wie wird es weitergehen? Ein Gespräch mit Dietmar Lupfer und Christian Waggershauser, den Erfindern, Entwicklern und Betreibern dieser städtisch geförderten und privatwirtschaftlich geführten Münchner Kultureinrichtung.

SZ: 15 Jahre Muffathalle, oder, wie es neuerdings nach der Verdreifachung der Spielflächen von 1100 auf 3500 Quadratmeter heißt, Muffatwerk: Ist das wirklich ein Grund zum Feiern?

Dietmar Lupfer: Wir haben doch eine Geschichte vorzuweisen! 1993 gab es bundesweit so etwas wie eine Umbruchstimmung. Überall gab es plötzlich Plattformen für junge Kunst. Das mag einerseits mit der Wiedervereinigung zu tun gehabt haben, andererseits mit dem Versuch, kulturelle Integration zu ermöglichen. Da ist seither viel verloren gegangen. Aber wir sind immer noch da. Außerdem feiern wir nicht einfach, sondern haben ein Programm zusammengestellt, das unsere umfangreichen ästhetischen Möglichkeiten konzentriert aufzeigt.

SZ: Welches Publikum sprechen Sie an?

Christian Waggershauser: Generell eine aufgeschlossene urbane Klientel, die sehr weltoffen ist. Natürlich eher jüngere Leute von 14 bis 40 Jahren, aber auch durchaus ältere, je nach Veranstaltung. Das Alter spielt aber gar keine so große Rolle. Zu uns kommen Kulturinteressierte.

SZ: Wie fing das mit der Muffathalle überhaupt an?

Waggershauser: Es gab damals von der Stadt eine Ausschreibung. Man musste ein Konzept vorlegen, Bonität nachweisen und die Finanzierung. Seitens der Stadt hatte man damals wohl die Angst, sich wieder jemanden einzuhandeln, der zwar schöne Konzepte schreiben konnte, aber bei der Umsetzung versagte. Außerdem ging es ja um eine Top-Immobilie im Herzen der Stadt. Erstmals Jugendkultur nicht irgendwo draußen wie die Alabama-Halle, sondern im Zentrum! Am Schluss haben wir uns durchgesetzt, gegen "Spielmotor", heute die Veranstalter von "Spiel-Art", mit denen wir längst bei deren Festivals zusammenarbeiten.

Lupfer: Wichtig ist auch noch, dass die Stadt hier kein neuerliches Spartenhaus installieren wollte, sondern von vorneherein ein offenes Konzept präferierte.

SZ: Was hat Sie beide eigentlich zusammengeführt?

Waggershauser: Ich komme aus dem Konzert-Sektor...

Lupfer: ...und ich war in derselben Bürogemeinschaft, allerdings eher mit Schwerpunkt Kultur aus dem Ostblock oder Literatur.

SZ: Hat sich diese Arbeitsteilung gehalten?

Lupfer: Christianübernimmt eher das Kaufmännische, während ich mehr für die künstlerische Ausrichtung zuständig bin...

Waggershauser: ...ich muss halt das Geld ranschaffen, das er ausgibt. Nur ein Spaß! Mittlerweile ist es nämlich so, dass Dietmar für experimentelle Projekte sehr viel Geld rein holt, über Koproduktionen und öffentliche Fördermittel bis hin zur EU.

SZ: Redet die Stadt eigentlich bei der Programmgestaltung mit? Inwieweit sind Sie Rechenschaft schuldig?

Waggershauser: Es gab noch nie den Fall programmatischer Einflussnahme.

Lupfer: Wir sind privat haftende Gesellschafter. Die Stadt bezuschusst unseren Etat von zwei Millionen Euro pro Jahr mit 489 000 Euro, plus 45 000 Euro für die unlängst neu hinzugekommenen Studios. Den können wir verlieren, wenn wir schlecht wirtschaften.

SZ: Wie schafft man den Spagat zwischen wirtschaftlicher Rentabilität und Kulturanspruch?

Waggershauser: Man muss sehen, wie man sich mit dem Gelände weiterentwickelt. Wir sind quasi der Gegenpol zum Gasteig und der Philharmonie.

Lupfer: Unsere Nische ist die Überraschung, das Unerwartete und gleichzeitig Anspruchsvolle. Allerdings haben wir keinen festen Etat fürs Programm. Den müssen wir uns von Mal zu Mal mühevoll bürokratisch erarbeiten.

SZ: Nicht nur das Muffatwerk feiert Geburtstag, sondern auch die Stadt insgesamt. Was wünscht man München?

Lupfer: Aus meiner Sicht pflegt München immer noch eine viel zu reine, risikolose Kultur. Wir brauchen mehr internationalen Austausch, ohne Angst vor ästhetischen Verunreinigungen.

© SZ vom 02.07.2008/sonn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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