14 Einrichtungen beteiligen sich:Sinnsuche an der Baumrinde

Unter dem Motto "Moosach philosophiert" beschäftigen sich die Menschen im Viertel zwei Wochen lang mit der großen Sinnsuche. Die von den örtlichen Kulturvereinen getragene Aktion regt nicht nur zur Selbsterkenntnis, sondern zum gesellschaftlichen Weiterdenken an

Von Benjamin Stolz, Moosach

"Die Suche nach dem Wir" beginnt in einem kleinen Park neben dem Olympia-Einkaufszentrum. So lautet zumindest eine Lesart des Mottos der Aktionswochen "Moosach philosophiert". Noch bis zum 27. April bieten vierzehn Einrichtungen ein coronafestes Programm, das sich unter anderem den Sinnfragen im Alltagsleben widmet. "Ist das nicht gerade eine Zeit, in der die Leute über vieles nachdenken?", meint Julia Schönfeld-Knor, Geschäftsführerin des Moosacher Pelkovenschlössls und Mitorganisatorin der Veranstaltung. Das Herzstück von "Moosach philosophiert" ist ein sogenannter "Actionbound". Laut Schönfeld-Knor handelt es sich dabei um eine "virtuelle Schnitzeljagd": Eine mit philosophischen Impulsen angefütterte App führt dabei zu einer Reihe von realen Stationen, die sich mit unterschiedlichen, im weiteren Sinn philosophischen Themen auseinandersetzen.

14 Einrichtungen beteiligen sich: Ein Schild fragt nach dem Los der Menschen.

Ein Schild fragt nach dem Los der Menschen.

(Foto: Benjamin Stolz/oh)

"Wird es immer Menschen auf der Erde geben?", fragt etwa ein auf einen Baum genageltes Holztäfelchen im Park hinter der Freizeitstätte Boomerang. Es ist Teil der ersten Station, die den Begriff Schönheit thematisiert. Zum selbständigen Nachdenken spielt die App Zitate bekannter Persönlichkeiten von David Hume bis Daphne du Maurier vor. Die Zuhörer dürfen entscheiden, welcher Sinnspruch ihrer Vorstellung von Schönheit am nächsten kommt. "Wir wollen einen Raum schaffen, in dem Leute philosophische Fragen stellen und Antworten finden können. Es geht um die eigenen Erkenntnisse", erklärt Leonie Droth von der "Akademie für Philosophische Bildung und Wertedialog". Die Akademie hat "Moosach philosophiert" bei der Erstellung der Schnitzeljagd unterstützt. In der App können Besucher ihre Erkenntnisse außerdem in Form von Sprachnachrichten oder kurzen Texten dokumentieren. Diese Daten bilden die Grundlage für einen "öffentlichen Wertedialog" - eine Art Gruppengespräch, das die Akademie am Dienstag, 27. April, online führen wird.

14 Einrichtungen beteiligen sich: Hätte Kant das geahnt? Julia Schönfeld-Knor liest aus seinem Werk.

Hätte Kant das geahnt? Julia Schönfeld-Knor liest aus seinem Werk.

(Foto: Privat)

Bereits am ersten Wochenende machten zwei Online-Veranstaltungen den Auftakt für ein umfangreiches Programm abseits des virtuellen Spaziergangs. Projektleiter Valentin Knor hat das Programm bewusst vielschichtig gestaltet. Es gehe um einen "großen, losen Rahmen" für unterschiedliche Interessen. So durften die Moosacher getrost an einem Tag via Zoom über die Existenz von Engeln diskutieren und tags darauf einer szenischen Kant-Lesung auf Youtube beiwohnen. "In Moosach sind wir gewohnt, dass jeder das einbringt, was er kann", sagt Julia Schönfeld-Knor.

14 Einrichtungen beteiligen sich: Im Mooskito wird diskutiert.

Im Mooskito wird diskutiert.

(Foto: Benjamin Stolz/oh)

Die Philosophie der Aktionswochen will nicht im berühmten Elfenbeinturm verweilen, sondern die Lebenswelt aller Moosacher berühren. Station zwei des Actionbounds befindet sich beim Diakonia-Kaufhaus, einem Second-Hand-Laden des evangelisch-lutherischen Dekanatsbezirks. Dort erhalten die wandelnden Freizeit-Philosophen Denkanstöße über bewussten Konsum, Arbeitsethik und soziale Gerechtigkeit. Christophe Rude, dem Leiter der Akademie für philosophische Bildung und Wertedialog, ist das Arbeiten mit Begriffen wie "Gemeinschaft, Mut oder Toleranz" ein Anliegen. "Werte können helfen, Spannungen in der Gesellschaft zu erkennen, und bieten Brückenschläge an", meint der Philosoph. Seminare seiner Akademie werden gewöhnlich nicht nur in Schulen und Gemeinden, sondern auch für Unternehmen gebucht.

In diesem Sinn will Projektleiter und Philosoph Valentin Knor möglichst verschiedene Menschen an den virtuellen Tisch holen: "In Moosach gibt es sozial bedürftige Leute, Akademiker, Menschen aus Ein- und Mehrfamilienhäusern. Die Teilnehmenden sollen sich Gedanken machen, was dieses Wir überhaupt bedeutet." Sein eigener Programmpunkt war ein philosophisches Speed-Dating, bei dem sich Gäste in kurzen Intervallen mit aktuellen gesellschaftlichen Diskursen von Tierrechten bis künstlicher Intelligenz auseinandersetzen. "Wir wollen Philosophie ins Wohnzimmer bringen", sagt Knor.

Jenseits der eigenen vier Wände diskutieren die Moosacher in den Aktionswochen auch über die Zukunft ihres Stadtteils. Passenderweise liegt die dritte Station des virtuellen Philosophie-Rundgangs beim Kinder- und Jugendtreff Mooskito an der Schwelle zwischen Parkidylle und Stadtautobahn. An dieser Stelle erkundigt sich die App nach Fragen der Raum-Ökonomie und urbanen Ökologie. "Die Leute machen sich viel mehr Gedanken, als man gemeinhin annimmt", findet Julia Schönfeld Knor. So dienen die Aktionswochen "Moosach philosophiert" nicht nur einer abstrakten Suche nach dem Wir, sondern auch dem Finden einer gesellschaftspolitischen Vision für den eigenen Bezirk. Neun weitere Stationen auf dem virtuellen Weisheitspfad und zwei Veranstaltungen können angehende Philosophen in Moosach noch bis zum Ende der Aktionswochen erkunden. Einen Zugang zur philosophischen Tour durch Moosach gibt es unter www.actionbound.com/bound/moosach.

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