Philippe drückt den Hebel nach unten und hält die andere Hand über den Toaster. Der Heizdraht beginnt zu glühen, Wärme steigt aus der Blechkiste auf und es riecht nach verbranntem Toast. Soweit scheint alles zu funktionieren. Doch der Hebel rastet nicht mehr ein. „Ich hasse Toaster“, sagt Philippe halb im Ernst, halb im Spaß. Eigentlich sei das Reparieren von Toastern eine Sache von zehn bis 20 Minuten. An diesem Gerät, das er erst mal von alten Krümeln und einem Käfer befreien musste, bastle er aber schon seit Stunden. Er lehnt sich kurz in seinem Stuhl zurück und seufzt. Dann beugt der 58-Jährige sich wieder über den Toaster.
Philippe, der seinen Nachnamen nicht nennen möchte, beteiligt sich wie fünf weitere Ehrenamtliche an der Aktion „100 Toaster“, die der Aktivist und Reparateur Andreas Reheis ins Leben gerufen hat. Reheis engagiert sich in Repair Cafés, die es an mehreren Orten in der Stadt gibt. Die Toaster haben Münchnerinnen und Münchner auf Wertstoffhöfen entsorgt.
Reheis will bis Ende November herausfinden, wie viele der weggeschmissenen Toaster noch funktionieren und wie viele mit vergleichsweise geringem Aufwand repariert werden können. Das Forum an der Schwanthalerhöhe hat Reheis dafür einen Raum im Obergeschoss des Einkaufszentrums zur Verfügung gestellt. Hier stapeln sich Toaster verschiedener Farben, mit Plastik- oder Metallgehäusen, manche teurer, manche billiger. „Nackt sind sie alle gleich“, sagt Reheis.

Der Toaster als Gerät sei symbolisch für all die Dinge, die Menschen kaufen und dann wieder wegschmeißen. Weil es oft billiger sei, ein neues Gerät zu kaufen, statt ein altes zu reparieren. Besonders Toaster verkaufe die Industrie einfach zu günstig. Daher gebe es auch wenig Fachwissen über das Reparieren von Toastern. Obwohl sich in über hundert Jahren nichts Grundlegendes an der Art und Weise geändert hat, wie Toaster funktionieren, erklärt Reheis. Trotzdem: „Es gibt nur Strukturen dafür, die Dinge wegzuwerfen.“
Der Abfallwirtschaftsbetrieb München (AWM) hat Reheis für die Aktion die 100 weggeschmissenen Geräte zur Verfügung gestellt. Die habe der AWM in gerade mal zwei Wochen auf den Münchner Wertstoffhöfen gesammelt. Reheis schätzt aufgrund der Erfahrungen seiner Sammlungszeit, dass pro Jahr rund 20 000 Toaster entsorgt werden. Im Jahr 2023 kamen auf den Wertstoffhöfen des 6519 Tonnen an Elektro- und Elektronikschrott zusammen.

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Die „Elektrokleingeräte“ wie Toaster gehören zu den Elektroartikeln, die Menschen am häufigsten wegwerfen, teilt eine Sprecherin mit. Danach beginne der sogenannte Verwertungskreislauf, dessen Grundlage das Elektro- und Elektronikgerätegesetz (ElektroG) bilde. „Beispielsweise werden funktionstüchtige Elektrogeräte an Sozialbetriebe übergeben, wo sie überprüft und anschließend in der Halle 2, dem Gebrauchtwarenkaufhaus der Stadt München, verkauft“ werden. Geräte, die offenbar nicht mehr funktionieren, werden an sogenannte „Verwerter“ übergeben.
Über die Verwerter, also der nächsten Station im Verwertungskreislauf, gibt der AWM keine weitere Auskunft. Nur, dass es sich dabei um „deutschlandweite, auf das Recycling von Elektrogeräten spezialisierte Unternehmen“ handle und dass sie sich über ein Ausschreibungsverfahren der Stadt qualifizierten. Gegenüber dem AWM müssten die Unternehmen nachweisen können, dass die kaputten Elektroartikel fachgerecht entsorgt und unter Einhaltung des ElektroG recycelt werden.

Welchen Weg ein Gerät nimmt, entscheidet sich auf den Wertstoffhöfen. Der Abfallwirtschaftsbetrieb teilt mit, dass er sich an den Angaben von Bürgerinnen und Bürgern orientiere, die „proaktiv“ darüber informierten, ob ein Gerät noch funktioniere. Zudem seien Mitarbeitende angehalten nachzufragen. „Ziel des AWM ist es, so viele funktionierende Elektrokleingeräte wie möglich zu identifizieren und der Wiederverwendung zuzuführen.“ Die hundert Toaster, die Reheis bekommen hat, wären laut der Sprecherin aber den „defekten Elektrokleingeräten zugeordnet und dem entsprechenden Verwerter übergeben worden“.
Reheis weiß nicht, was die Verwerter mit den Toastern gemacht hätten. Kunststoffe wären wohl verbrannt und Metalle eingeschmolzen worden. Mit entsprechendem Energieaufwand vermutet der Reparateur. Mitte November zieht Reheis eine Zwischenbilanz der Aktion: Von den ersten 69 überprüften Toastern funktionierten 30 einwandfrei, 25 konnten er und seine Mitstreiter reparieren – 20 davon sogar recht einfach. Nur 14 der 69 Geräte waren also wirklich nicht mehr zu retten. Bis Ende November will Reheis alle 100 Toaster unter die Lupe genommen haben.
„Am Anfang wollte ich die Welt retten“, sagt Andreas Reheis im Forum an der Schwanthalerhöhe. Inzwischen sei ihm bewusst, dass ein repariertes Gerät „ein Tropfen auf dem heißen Stein“ sei. Deswegen habe er den sozialen Aspekt des Reparierens zu schätzen gelernt. Gerade in den Repair Cafés treffe er oft auf hochqualifizierte Rentnerinnen und Rentner. „Die brennen darauf, wieder etwas zu machen.“ Gegen die Zerstörung der Umwelt oder einfach, um beschäftigt zu sein und mit anderen Menschen in Kontakt zu kommen.
Philippe, der früher als Molekularbiologe gearbeitet hat, repariert die Toaster, weil es Abfall reduziert, sagt er. Und weil er Ablenkung von den Nachrichten über Trump oder das Ende der Ampelregierung gebraucht habe. Er sei im „Flow“, wenn er Elektrogeräte repariere, es mache ihn glücklicher. „Vielleicht sollte der Bundeskanzler auch mal in einem Repair Café vorbeischauen.“