Der 1. Mai ist ein Tag zum Feiern, zum Kämpfen, aber auch zum Nachdenken. Zum Beispiel darüber, dass der Tag der Arbeit auf jenen 1. Mai 1890 zurückging, an dem deutsche Arbeiter für den Acht-Stunden-Tag auf die Straße gingen. Andererseits könnte man nun fragen: Warum muss der Durchschnittsdeutsche nach 135 Jahren immer noch 37 Stunden pro Woche arbeiten, trotz hilfreicher Maschinen, Computer und so weiter, also wer schöpft die Ernte eigentlich ab? Natürlich darf froh sein, wer überhaupt eine Arbeit hat.
Man sieht: Das Thema ist komplex. Jedenfalls sei der Tag der Arbeit in München „die meistdiskutierte Veranstaltung bei den Gewerkschaft überhaupt“, wie Simone Burger sagt, die Vorsitzende des DGB München, man denke immer über Neues bei den Aktionen nach. So hat es auch heuer im Programmablauf wieder einige Änderungen gegeben. Wobei der grundsätzliche Ablauf gesetzt bleibt: erst die Arbeit, also der Protest, dann das Vergnügen.
Es geht los mit der Auftakt-Runde an der Agentur für Arbeit (Kapuzinerstraße 26). Der Beginn ist feiertagsfreundlich um eine Stunde nach hinten auf 10.30 Uhr verlegt worden. Ab 11 Uhr macht sich der Demonstrationszug auf den Weg zum Marienplatz. Der große Schlachtruf dieses Jahr lautet „Mach Dich stark mit uns“. Denn sich zu organisieren, sei das beste Mittel gegen „das Gefühl der Ohnmacht, das wir alle im Alltag spüren“, schreibt der DGB und verweist auf seine Erfolge: Gemeinsam habe man etwa die Löhne erhöht und faire Arbeitsbedingungen erstritten.
Auf der Hauptbühne vor dem Rathaus steigt um 12 Uhr die große Kundgebung. Hauptredner ist Robert Feiger, der Bundesvorsitzende der IG Bau. Gerade auch für politische Forderungen gehe man auf die Straße. Der DGB verlangt vom Staat mehr Investitionen gegen den klapprigen Nahverkehr, bröckelnde Brücke und die schleppende Digitalisierung; auch mehr Geld für Kinderbetreuung, Bildung und Kliniken ist gewünscht. Die DGB-Jugend hat sich zudem eine eigene Aktion ausgedacht, in der auch das berühmte „sozialistische Känguru“ aus den Marc-Uwe-Kling-Büchern seinen Auftritt bekommt.
Und das ist eine schöne Überleitung zum Unterhaltungsprogramm: In der Fußgängerzone steigt ab 13.30 Uhr wieder das Familienfest mit Kinderspiel, Infomarkt, Biergarten und Livemusik (der Eintritt ist frei). Die größte Neuerung ist quasi eine Kürzung: Denn die Konzerte sind heuer schon um 17 Uhr zu Ende, zu der Zeit ging es in den Vorjahren erst richtig los mit dem Abend-Festival „Lautstark“. Das „Lautstark“ verdrängt heuer allerdings das bisherige Nachmittags-Kulturprogramm. „Wir haben das verflochten. Wir wollten das gemeinsam feiern“, erklärt Simone Burger.

Die Bands freilich hat man – wieder zusammen mit dem Feierwerk – passend zum kämpferischen Feiertag ausgesucht: Zunächst stehen die Münchner Tula Troubles für die „gemeinsame Botschaft: Bunt macht Spaß!“ auf der Bühne. Die Worldmusic-Truppe mit Musikern aus vier Kontinenten zelebriert Ska, Folk, Cumbia, Rock, Balkan-Beats, orientalische Melodien, Chansons und „revolutionäre Hymnen“ in neun Sprachen (13.30 Uhr). Danach spielt das Münchner Trio Loop Roots um den Beatbox-Weltmeister Do B seinen Hip-Hop-Bossa-Funk mit „sozialkritischen Texten, die richtig zünden“ (14.45 Uhr). Und zum Abschluss gibt es Punk aus der deutschen Rabauken-Wiege Düsseldorf: Rogers haben sich im Freundeskreis von Toten Hosen, Broilers, Jennifer Rostock, Sondaschule und anderen seit 2006 ihren Platz erspielt mit Ansagen gegen Fremdenhass, Antisemitismus, Gewalt und unpolitische Wischi-Waschi-Rocker, was letztlich im Top-Ten-Album „Rambazamba und Randale“ gipfelte (15.30 Uhr).
Wer sich da mit dem Feiern noch nicht ausgelastet fühlt, hat zum 1. Mai noch jede Menge Möglichkeiten vorzuglühen (wie es so schön heißt). In der Nacht zum Feiertag haben viele Clubs geöffnet, dabei gibt es durchaus auch anspruchsvolles Programm (30. April): Die Bass-Weltstars Schlachthofbronx krönen abends das schon um 14 Uhr vor dem Import Export startende „Straßenfest Treibgut X Treibstoff“. In den Kammerspielen feiert man Blutsauger der anderen Art (in dem Fall eben keine Kapitalisten), nämlich mit einem „Vampir-Tanz in den Mai“ und „Technopolka, Kitschpop, Zappelelektronika, Fantasmaoperette“ vom Duo Baba Dunya (22.30 bis 4 Uhr).
Und wie die ersten Arbeitskämpfer haben auch IntimDJ Cpt. Schneider und Cpt. Davidopoulos in ihrer „Freinacht“-Indie-Disco immer eine rote Nelke im Knopfloch. Der traditionelle „Tanz in den Mai“ der Szene-Unikate bietet wieder „Internationale Musik für die niederen Bedürfnisse“, aber durchaus auch sozialkämpferische Absichten (am 30. April, 21 Uhr, Milla, Holzstraße 28). Cpt. Schneider alias Hias Schaschko will etwa „Children Of The Revolution“ von T.Rex und auch „Funky Revolution“ von der Hochzeitskapelle auflegen, „und ganz sicher was aus dem tollen Italo-Polit-Album ‚Il nuovo Canzoniere Italiano‘ von 1965“.