Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit hat der Bundestag im vergangenen Monat zwei wichtige geschichtspolitische Entscheidungen getroffen. Am 9. Oktober stimmten alle Fraktionen - selbstredend mit Ausnahme der AfD - einem Antrag der Regierungsparteien zu, dessen sperriger Titel als klares Programm verstanden werden will: "Gedenken an die Opfer des deutschen Vernichtungskriegs stärken und bisher weniger beachtete Opfergruppen des Nationalsozialismus anerkennen". Drei Wochen später versammelte sich das Parlament - diesmal bei Enthaltung der Rechten - hinter einem Antrag, über den interfraktionell seit mehr als einem Jahr verhandelt worden war: "Mit einem Ort des Erinnerns und der Begegnung dem Charakter der deutsch-polnischen Geschichte gerecht werden und zur Vertiefung der besonderen bilateralen Beziehungen beitragen". Auch wenn der Titel des zweiten Antrags dies nur erahnen lässt: In beiden Fällen geht es um die Vergegenwärtigung der deutschen Verbrechen während des Zweiten Weltkriegs und der deutschen Besatzungsherrschaft in Europa. Wie viel bei diesen Themen weiterhin zu tun ist, zeigt die Diskrepanz zwischen dem, was eine international vernetzte historische Forschung seit Jahrzehnten herausgearbeitet hat, und dem, was davon im öffentlichen Bewusstsein angekommen ist.
MeinungKolumne:Verbrechen und Vergegenwärtigung
Kolumne von Norbert Frei
Lesezeit: 3 Min.
Die deutsche Politik will Lücken der Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg schließen. Aber sie macht es sich dabei zu leicht.
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