Ziviler Ungehorsam:Unglaubwürdig

Protestierer, die sich von Autobahnbrücken abseilen, gefährden Leben und Gesundheit anderer. Das geht viel zu weit.

Von Matthias Drobinski

Alles ist gut gegangen, zum Glück. Es gab diesmal keinen Unfall, als sich von mehreren Autobahnbrücken Menschen abseilten, um gegen den Bau der Autobahn A 49 und die Rodungen im Wald von Dannenrod zu protestieren. Mitte Oktober jedoch war nach einer solchen Abseilaktion ein Auto auf das Ende des entstandenen Staus gekracht, der Fahrer wurde schwer verletzt.

Eine Demokratie muss zivilen Ungehorsam aushalten. Sie sollte mit Augenmaß und Respekt reagieren, wenn eine Minderheit aus Gewissensgründen und um eines höheren Zieles willen begrenzt Regeln verletzt. Das ist ein Zeichen ihrer Reife. Solche begrenzten Regelverletzungen können Änderungen anstoßen. Ohne Schulstreiks würde nur halb so viel übers Klima diskutiert, ohne Baumbesetzungen nicht über den Dannenröder Wald.

Dieser Ungehorsam aber ist nicht mehr zivil, wenn er sich zum Richter über Gesundheit und Leben anderer Menschen aufschwingt, wie bei den Abseilaktionen geschehen. Er verliert seine Symbolkraft, wenn er unempfindlich wird für das, was er möglicherweise anderen antut. Und er verliert seine Glaubwürdigkeit, wenn er für sich Grenzenlosigkeit reklamiert. Zu Recht verlangen jene Menschen, die den Wald besetzen, dass die Polizei behutsam mit ihnen dort umgeht; zu Recht protestieren sie, wenn dies nicht geschieht. Sich selber aber haben die Besetzerinnen und Besetzer bislang nicht zur Gewaltlosigkeit verpflichtet. Ihr Schweigen dröhnt jeden Tag lauter.

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