Youtube:Fakten gegen Geschwurbel

Youtube: In dem Video-Projekt "Alles auf den Tisch" äußern sich Kritiker der Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus.

In dem Video-Projekt "Alles auf den Tisch" äußern sich Kritiker der Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus.

(Foto: allesaufentisch.tv)

Die Meinungsfreiheit ist in Deutschland nicht gefährdet. Aber wenn Internetkonzerne Videos löschen, müssen sie ihre Kriterien ganz konkret offenlegen.

Kommentar von Simon Hurtz

Man kann der Meinung sein, dass die Initiative "Alles auf den Tisch" einlöst, was der Name verspricht: Dinge anzusprechen, die sonst unter den Tisch fielen. Man kann einige Videos der Kritiker der Corona-Politik für selbstgerechtes Geschwurbel halten, teils gar für gefährlichen Unsinn. All das darf man denken und auch sagen, weil Deutschland ein demokratischer Staat ist, der weitestgehende Meinungs- und Redefreiheit garantiert. Keines dieser Grundrechte ist akut bedroht.

Diese Klarstellung ist wichtig, weil manche Gesprächspartner der Video-Aktion einen anderen Eindruck erwecken. Wenn Prominente öffentlichkeitswirksam suggerieren, sie dürften jene Dinge, die sie gerade sagen, öffentlich nicht mehr sagen, sollte man misstrauisch werden. Die entscheidende Frage, die durch die jüngsten Ereignisse neu aufgeworfen wurde, ist eine andere: Gibt es ein Recht, seine Meinung auch auf allen digitalen Kommunikationsplattformen zu äußern?

Erst einmal gilt: Man darf ganz legal Quatsch behaupten

Was war passiert? Die Videoplattform Youtube, die zum Google-Konzern Alphabet gehört, entfernte zwei Videos von "Alles auf den Tisch", weil sie angeblich gegen Richtlinien zu medizinischen Fehlinformationen verstießen. Das Landgericht Köln ordnete an, beide Filme wiederherzustellen. Diese Entscheidung ist nachvollziehbar: Die fraglichen Videos sind jeweils mehr als zwanzig Minuten lang, Youtube begründete die Sperrung aber nur mit einem vagen Verweis auf die eigenen Richtlinien.

Ein mächtiger Konzern mit nahezu unbegrenzten Ressourcen sperrt ohne Vorwarnung und verschweigt den Betroffenen eine Woche lang, was ihnen konkret vorgeworfen wird: Diese Intransparenz wirkt willkürlich. Wer auf Facebook mit "Heil Hitler" kommentiert, verdient keine ausführliche Erklärung, warum der Beitrag verschwindet. Bei "Alles auf den Tisch" ist das anders: Keine der Aussagen ist in Deutschland strafbar, man darf ganz legal Quatsch behaupten, auch über die Corona-Impfung.

Wenn Youtube oder Facebook solche Inhalte löschen wollen, dann müssen sie das besser begründen. Juristinnen und Juristen sind uneins, wie weit das Hausrecht der Plattformen geht. Dürfen sie eigene Regeln aufstellen, oder müssen sie sich strikt an nationales Recht halten? Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie gefährlich Desinformation und Verschwörungserzählungen sein können. Deshalb gibt es gute Argumente dafür, dass Digitalkonzerne auch dann eingreifen, wenn die Grenze zur Strafbarkeit noch nicht überschritten ist. Das löst nicht das Problem, dass manche Menschen sich weigern, wissenschaftliche Fakten anzuerkennen, aber immerhin verhindert es, dass sich der Irrglaube unkontrolliert weiterverbreitet.

Die Verantwortung für die sozialen Medien bleibt oft undurchsichtig

Für Nutzerinnen und Nutzer sind die Eingriffe jedoch oft unverständlich, soziale Medien bieten keine Ansprechpartner und kaum Beschwerdemöglichkeiten. Diese sogenannte Content-Moderation wird niemals perfekt funktionieren, zu viele Inhalte werden jeden Tag veröffentlicht, Menschen und Maschinen machen Fehler. Wenn die Konzerne Vertrauen zurückgewinnen wollen, dann müssen sie sich öffnen: genauer erklären, Einspruch zulassen und die Kriterien für ihre Entscheidungen offenlegen.

Das gilt auch für "Alles auf den Tisch": Manche der Videos, die derzeit noch auf Youtube zu finden sind, enthalten Behauptungen, die eindeutig gegen die Richtlinien der Plattform verstoßen. Youtube hätte gute Gründe, sie zu sperren, allerdings muss es diese Gründe auch benennen: Gegen Geschwurbel helfen nur Fakten.

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