Bayern:Die Windräder kommen

Windkraft in Bayern: Ein Windrad in Harenzhofen

So etwas will die CSU in Bayern nicht: ein Windrad nahe am Ort, wie hier 2011 in Harenzhofen, Oberpfalz.

(Foto: imago stock&people/imago/argum)

Auch wenn die CSU das anders sieht: Die Regelung im Freistaat, dass die Anlagen das Zehnfache ihrer Höhe von Wohnhäusern entfernt sein müssen, hat sich als fatal erwiesen. Das wird kaum so bleiben.

Kommentar von Marlene Weiß

Es ist ja schön, wenn sich die Politik an der Forschung beteiligt. In diesem Sinne war die bayerische 10-H-Regelung ein ganz interessantes Experiment. Stimmt es, dass die Akzeptanz von Windenergie steigt, wenn man den Zubau möglichst kompliziert macht? So jedenfalls haben die Befürworter der Regelung lange argumentiert, insbesondere die CSU. Kein Windkraftverhinderungsgesetz sei das, sondern ein Bürgerbeteiligungsgesetz, hieß es. Nach gut sieben Jahren und einem drastischen Einbruch der Zubauzahlen in Bayern kann man festhalten: Dieser Versuch ist gescheitert. Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) hat recht, wenn er sagt, dass es so nicht weitergeht.

Zwar verbietet das bayerische Gesetz nicht, dass ein Windrad der Wohnbebauung näher kommt als das Zehnfache seiner Höhe (was bei modernen Anlagen zwei bis zweieinhalb Kilometern entspricht). Aber es macht es schwer, innerhalb dieser Entfernung Windräder zu bauen - denn dafür müssen die Kommunen erst einen neuen Bebauungsplan erstellen. Das ist ein enormer Aufwand, auch weil dieser Prozess keinesfalls dazu führt, dass plötzlich alle ihre Begeisterung für die lokale Energiewende entdecken; im Gegenteil, es hagelt oft Einwände. Bleibt man aber außerhalb des 10-H-Abstands, sind kaum noch Standorte übrig: Laut Umweltbundesamt würden bei einem Zwei-Kilometer-Abstand deutschlandweit 85 bis 97 Prozent der für Windkraft nutzbaren Fläche wegfallen.

Tagebau betrifft wenige, aber dies heftig. Windkraft betrifft viele, aber nur ein wenig

Das Ergebnis? Ganze acht Windräder wurden im vergangenen Jahr in Bayern gebaut. Wenn aber bis 2030 80 Prozent des Stroms hier aus Erneuerbaren erzeugt werden sollen - was nicht übertrieben ist, wenn man bis 2045 klimaneutral sein will -, kann sich das Bundesland mit der größten Fläche nicht vornehm zurückhalten. Es gibt durchaus auch in Bayern Flächen, die für Windenergie nutzbar wären und genutzt werden müssen. Das ist nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit, sondern auch der Ökonomie und der Versorgungssicherheit. Die wetterbedingten Schwankungen, falls Windstrom nur aus Norden und Solarstrom nur aus Süden kommt, sind einfach zu hoch.

Ja, man kann das alles als Zumutung sehen. Im alten, zentralen Energiesystem mussten zwar auch manche die wenig idyllische Nachbarschaft von Tagebauen oder Atomkraftwerken ertragen, aber es waren vergleichsweise wenige Menschen betroffen. In der neuen, dezentralen Welt sind es harmlosere Dinge wie Windräder, aber die sind für sehr viele sichtbar. Das macht die Sache anstrengend.

Die jenseits von Unfug wie der 10-H-Regelung geltende Rechtslage ist aber schon gar nicht so schlecht, um für Ausgleich zu sorgen: Durch den "Planungsvorbehalt" im Baugesetzbuch können Gemeinden Flächen für Windkraft ausweisen, dafür bleiben ihnen die Anlagen anderswo erspart. Das ermöglicht Mitgestaltung, vermeidet aber ewige Diskussionen nach dem Motto "Windräder gerne, aber doch nicht hier!" Zudem haben die Länder auch die Möglichkeit, eine Abstandsregel von bis zu 1000 Metern einzuführen - wie es Nordrhein-Westfalen getan hat.

Experimente sind fein, aber es ist jetzt an der Zeit, die 10-H-Regel abzuschaffen. Wenn die CSU das partout nicht einsehen will, kann der Bund eine Öffnungsklausel im Baugesetzbuch kassieren, die die Regelung erst ermöglicht hat. Habeck sitzt hier also am längeren Hebel, und wie es aussieht, ist er bereit, davon notfalls Gebrauch zu machen.

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