Konjunktur:Optimistische Pessimisten

Der IWF korrigiert seine Wachstumsprognosen nach unten, verbreitet insgesamt aber weiter Zuversicht. Dabei ist der größte Risikoherd für die Weltwirtschaft noch nicht einmal voll berücksichtigt.

Kommentar von Claus Hulverscheidt

Um 3,8 Prozent, so sagt der Internationale Währungsfonds (IWF) voraus, wird die deutsche Wirtschaft 2022 wachsen. Das ist fast ein Prozentpunkt weniger als vor gerade einmal drei Monaten prognostiziert, aber immer noch das Doppelte dessen, was in früheren Jahren so üblich war. Alles in Butter also?

Mitnichten. Die vergleichsweise hohe Wachstumszahl ist zunächst der Tatsache geschuldet, dass Bürger und Firmen in Deutschland wie im Rest der Welt immer noch dabei sind, die Verluste aufzuholen, die die Pandemie seit dem Frühjahr 2020 verursacht hat. Und zweitens: Der IWF hat zwar seine Konjunkturprognosen für zahlreiche Staaten deutlich nach unten korrigiert, er geht in seinem Basisszenario aber immer noch davon aus, dass sich Omikron im Frühjahr totläuft, ohne dass eine neue, womöglich gefährlichere Corona-Mutante folgt. Das ist angesichts der vielen unerwarteten Kapriolen, die das Virus in den vergangenen 23 Monaten geschlagen hat, eine durchaus optimistische Hypothese.

Das gilt umso mehr, als der gefährlichste Risikofaktor für die Weltwirtschaft noch gar nicht voll berücksichtigt ist: China. Die Pekinger Kommerzkommunisten waren bei der Eindämmung von Corona bisher erfolgreicher als westliche Regierungen, weil sie ihrem Land extreme Lockdowns aufzwingen konnten. Omikron jedoch ist so ansteckend, dass dieser Ansatz nicht mehr oder nur noch um den Preis radikaler Fabrikschließungen wirkt. Zudem sind 1,4 Milliarden Bürger dem Virus ausgeliefert, weil die chinesischen Impfstoffe kaum gegen Omikron schützen. Nimmt man beide Probleme zusammen, dann droht der Volksrepublik ein humanitäres und der Welt ein ökonomisches Fiasko.

Kein Drittland wäre von einem solchen Unglück stärker betroffen als der Exportweltmeister Deutschland. Und kein Drittland ist deshalb mehr darauf angewiesen, dass der IWF mit seinen etwas vorsichtigeren, aber immer noch überaus zuversichtlichen Konjunkturannahmen recht behält.

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