Griechenland und Türkei:Diese Katastrophe hat vor allem eine Ursache

Natürlich haben die verheerenden Brände im Mittelmeerraum mit gerodeten Wäldern, blinder Bauwut und einer auszehrenden Landwirtschaft zu tun. Doch das Grundproblem ist ein ganz anderes - und geht uns alle an.

Kommentar von Tobias Zick

Man könnte es als einen bitter-ironischen Wink der Natur auffassen. Griechenland und die Türkei, diese beiden engen Nachbarn im östlichen Mittelmeer, die durch ihre lange und schmerzliche gemeinsame Geschichte, die zerklüftete Geografie der Ägäis sowie die Nato einander eng verbunden sind, die sich aber immer wieder bis an den Rand eines offenen Krieges beharken: Diese beiden Länder werden gerade von derselben Naturkatastrophe überrollt.

Auf der östlichen Seite des schmalen Ägäischen Meeres, in der Türkei, haben die Flammen weite Landstriche versengt, mehrere Menschen getötet, Wälder und Felder vernichtet und sich in Tourismushochburgen vorgefressen. Und während dort, nach Tagen unkontrollierten Wütens, viele Großfeuer inzwischen zumindest eingehegt sind, lodert die Katastrophe auf der westlichen Seite der Ägäis jetzt erst richtig auf. Tausende Bewohner nördlicher Vororte von Athen mussten ihre Häuser verlassen, auf Euböa wurden Hunderte, die vor den Flammen an den Strand geflüchtet waren, per Boot in Sicherheit gebracht. Und während das Fernsehen die Bilder der Wettkämpfe aus Tokio in die Wohnzimmer der Welt überträgt, kämpfen griechische Feuerwehrleute darum, die antike Stätte von Olympia vor dem Feuer zu bewahren.

Eines von vielen extremen Ereignissen der vergangenen Wochen

Beiden Ländern gemein ist auch, dass die Katastrophe die jeweiligen innenpolitischen Kontroversen anfacht. Mit seinem mitunter peinlich-unbeholfenen Krisenmanagement schürt der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan den ohnehin seit Längerem schwelenden Volkszorn, und seine Gegner nutzen die Notlage, um per automatisierter Twitter-Kampagne die Regierung in Ankara international noch miserabler dastehen zu lassen. In Griechenland wirft derweil die Opposition der Regierung vor, sie "gratuliere" sich selbst für ihr Agieren in der Katastrophe, während unweit der Hauptstadt die Flammen außer Kontrolle geraten und die Stromnetze zu kollabieren drohen, weil Abertausende Klimaanlagen vergeblich gegen die Extremhitze ansurren.

Es liegt in der Natur der Sache, dass lokale und nationale Politiker in dieser Lage hilflos und angreifbar dastehen. Ja, die Vorwürfe wegen mangelnder Ausstattung der Feuerwehren sind berechtigt. Ja, es sind zu viele Wälder gerodet und Böden versiegelt worden, nicht zuletzt um Touristenhochburgen immer weiter wuchern zu lassen; es ist viel zu viel Grundwasser in den intensiven Tomaten- und Baumwollanbau gepumpt worden. Das sind Versäumnisse, die sich über Jahrzehnte angehäuft haben. Doch das Hauptproblem lässt sich auch mit einer noch so radikalen Umkehr in der Bau- und Landwirtschaftspolitik in Athen oder Ankara nicht beheben.

Gesten der Solidarität sind tröstlich, lösen aber kein Problem

Die extreme Hitze und Trockenheit über der Region, die jetzt auch in Süditalien und Bulgarien immer mehr Brände anfacht, ist ja nur eines von zahlreichen Extremereignissen der vergangenen Wochen: die Jahrtausendhitze in Nordamerika, die tödlichen Fluten in Deutschland und Belgien, die Taiga-Brände in Sibirien - all das fügt sich zu einer neuen globalen Normalität, in die sich die Menschheit durch die von ihr selbst beförderte Erderhitzung manövriert hat.

Es ist tröstlich zu sehen, wie andere Länder jetzt in der Not helfen; wie Rumänien Feuerwehrfahrzeuge nach Griechenland schickt, die Schweiz Hubschrauber, Frankreich Löschflugzeuge. Doch solche Gesten der Solidarität lindern nur die Symptome ein bisschen. Welche Weckrufe braucht es denn noch, um die Welt zu einem entschlossenen, gemeinsamen Kampf gegen die Ursachen einer Klimakatastrophe zu bewegen?

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