Tomasz Konieczny:Ein Mann für viele Rollen

Lesezeit: 2 Min.

Tomasz Konieczny, ein Mann für viele Rollen. (Foto: Enrico Nawrath/dpa)

Tomas Konieczny gilt als Sänger, der kräftig zulangt. In Bayreuth gab er den Wotan - und stürzte ab, aber nicht musikalisch.

Von Michael Stallknecht

Die Stühle im Bayreuther Zuschauerraum gelten als einer der vielen Härtetests fürs Publikum. Ganz aus Holz und damit akustisch zweifellos ideal, nichts soll vom Kunstgenuss ablenken; so wollte es Richard Wagner in seinem Festspielhaus. Außer vielleicht dem eigenen schmerzenden Hintern oder dem von den kurzen Lehnen kaum gestützten Rücken. Aber immerhin dürfen die Sitzgelegenheiten - fast 150 Jahre Festspielgeschichte beweisen es - als stabil gelten.

Was man anscheinend nicht von denen behaupten kann, die der Bühnenbildner Andrea Cozzi für die Neuproduktion des "Ring des Nibelungen" ersonnen hat. Kaum hatte Wotan nach seinem ersten Auftritt im zweiten Akt der "Walküre" Platz genommen, brach in der Premiere die Rückenlehne seines Stuhls ab und riss den Göttervater unsanft zu Boden. Ein frühes Ende für Tomasz Konieczny, der die schmerzliche Lage zunächst noch überspielen konnte, bevor er im dritten Akt ersetzt wurde. Schließlich hat Konieczny, im Gegensatz zu vielen anderen Sängern, das Schauspielen gelernt, an der Filmakademie seiner Heimatstadt Łódź. Seine Gesangsstimme entdeckte er erst, als er dort für die Aufnahmeprüfung vorsingen musste. Gesang studierte er später in Warschau, dann in Dresden, drehte dennoch auch für Film und Fernsehen. Er sei eigentlich Sänger geworden, hat Konieczny mal im Interview gesagt, weil man da besser verdiene denn als Schauspieler. Mindestens in dieser Hinsicht darf der durchsubventionierte deutsche Opernbetrieb als halbwegs stabil gelten, wo Konieczny über Festengagements an kleineren, dann größeren Häusern aufstieg - die klassische Ochsentour.

Seine Stimme eignet sich auch dafür, Schurken zu spielen

Die schauspielerische Prägung merkt man bis heute daran, dass der 50-Jährige als gute Besetzung für die Schurken gilt, für Don Pizarro in Beethovens "Fidelio", den korrupten Sheriff Jack Rance in Puccinis "La fanciulla del West" oder Friedrich von Telramund in Wagners "Lohengrin", mit dem er 2018 in Bayreuth debütierte. Es könnte freilich auch mit der Stimmfarbe zu tun haben, die zur abgründigen Schwärze tendiert. Als im klassischen Sinne schön gilt sein Bassbariton nicht, Kritiken monieren oft das mangelnde Ausdrucksspektrum, manchmal auch die geringe Textverständlichkeit. Als Koniecznys Paraderolle im "Ring" galt denn auch lange der gierige Nachtalbe Alberich, auf dem Rheintöchter und Götter gleichermaßen in mitleiderregender Weise herumtrampeln.

Dass er sich inzwischen zum weit komplexeren Wotan emporgearbeitet hat, zeigt deshalb auch, wie schwer diese Rolle, in immerhin drei Opern des "Rings" auftretend, zu besetzen ist. Bei den Bayreuther Festspielen sollte sie zunächst Günther Groissböck übernehmen, der sie aber schon im vergangenen Jahr zurückgab. Möglicherweise auch wegen der in Bayreuth besonders strengen Corona-Maßnahmen, gegen die Groissböck einen fast schon göttlichen Zorn hegt. Vor nicht einmal zwei Monaten gab dann auch John Lundgren auf. Konieczny gilt als Sänger, der kräftig zulangt und deshalb in jedem Fall übers Orchester kommt.

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Besonders gut zahlen können die Bayreuther Festspiele nicht, müssen aber gleichzeitig mit sämtlichen Häusern der Welt um die wenigen herausragenden Wagner-Stimmen konkurrieren. Dass in den vergangenen Jahren immer wieder Stars, oft auch kurzfristig, absagten, zeigt, dass die Festspiele unter ihrer gegenwärtigen Chefin Katharina Wagner hier deutlich an Anziehungskraft eingebüßt haben.

Die große, Bayreuth-erfahrene Wagner-Sängerin Birgit Nilsson wurde einmal gefragt, was man am dringendsten für eine Brünnhilde im "Ring" brauche. "Gute Schuhe", antwortete sie lapidar. Von nun an darf man hinzufügen: und gute Stühle. Immerhin soll Tomasz Konieczny an diesem Mittwoch wieder im "Siegfried" auftreten können, wo Wotan in der Rolle eines "Wanderers" unterwegs ist. Man darf hoffen, dass ihm weitere ungünstige Sitzgelegenheiten erspart bleiben.

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