Aktuelles Lexikon:Visum

Sieht dekorativ aus. Ist aber viel mehr. Der Fall Djokovic zeigt's.

Von Johanna Pfund

Europäische Bürgerinnen und Bürger machen sich selten einen Kopf, wenn es um ein Visum geht. Der Sichtvermerk, wie es bis Anfang der 2000er-Jahre in Deutschland noch hieß, erlaubt die Einreise in ein anderes Land. Aber innerhalb des Schengen-Raums war Einreisen vor Corona sowieso kein Thema, und weltweit gewährten viele Länder EU-Europäern in der Regel ohne größere Umstände die Einreise; meist verbunden mit einem hübschen Stempel in den Pass, der umso floraler und größer ausfiel, je weiter weg das Land war. Das adelte natürlich jeden Reisepass und dessen Besitzer, zeigte es doch, wie unerschrocken man in den entlegensten Winkeln der Welt unterwegs war. Seit 9/11 und spätestens seit Ausbruch der Pandemie ist aber vielen begeisterten Visa-Sammlern klar: Der Stempel hat handfeste rechtliche Bedeutung. Er entscheidet über Aufenthalt und Nichtaufenthalt, er ist bei den stempelnden Staaten ein Ausdruck ihrer Souveränität. Diese wird von ihnen auch als Verpflichtung begriffen, ihre Einwohner vor Ungemach zu schützen - sei es vor Kriminellen (was willkürlich ausgelegt werden kann) oder vor Menschen, die möglicherweise ein Coronavirus dabeihaben. Dass ein Land wie Australien selbst bei Weltberühmtheiten wie Novak Djokovic überlegt, ob es ein Visum erteilt, führt allen vor: Der Stempel ist wirklich viel mehr als Dekoration.

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