Nikita Chruschtschow galt nie als feinsinniger Mensch. Dem einstigen Staats- und Parteichef der UdSSR wurde eine gewisse Ruppigkeit in Manieren und Sprache attestiert. Insofern klang die Behauptung plausibel, er habe bei einer Rede vor den Vereinten Nationen im Oktober 1960 seiner Wut über die Verderbtheit des Westens dadurch Nachdruck verliehen, dass er seinen Schuh ausgezogen und damit auf das Pult vor ihm geschlagen habe. Für diese historische Anekdote, die seit Jahrzehnten durch die Geschichtsbücher wandert, gibt es allerdings erstaunlich wenig Belege. Weder existieren klare Film- oder Fotoaufnahmen, die dieses gewalttätige Ereignis zeigen, noch eindeutige und verlässliche Zeugenaussagen. Nur ein Bild gibt es – von einem zufriedenen lächelnden Chruschtschow und einem Schuh, der allerdings harmlos und still daliegt. Bleibt als Fazit: Manchmal ist das, was wir für Geschichte halten, vielleicht nicht wahr, aber zumindest gut erfunden.
GeschichtsbildDenkwürde UN-Auftritte

Bei einer Rede vor den Vereinten Nationen im Oktober 1960 soll Nikita Chruschtschow mit seinem Schuh auf das Pult vor ihm geschlagen haben, um seiner Wut Ausdruck zu verleihen. Nur: War das auch wirklich so?
Von Hubert Wetzel