Venezuela:Prominenter Häftling, prominenter Flüchtling

Leopoldo López entstammt einer der prominentesten Familien Venezuelas und ist der Kopf der Oppositionsbewegung. Nach seiner spektakulären Flucht hat er eine klare Botschaft an das Regime von Nicolás Maduro.

Von Christoph Gurk

Venezuelas Internet mag unzuverlässig sein, und der Strom fällt oft für Tage, sogar für Wochen aus. Natürlich aber kennen die Menschen dennoch Hollywood, man lebt ja nicht hinter dem Mond, sondern nur in einem sozialistisch-südamerikanischen Land. Als am Montag also der Name des US-Schauspielers Ethan Hawke auf einmal zu den meistgesuchten Begriffen im venezolanischen Netz wurde, war das keine Verwechslung, aber auch keine Folge eines neuen Blockbusters oder einer pikanten Affäre. Schuld an der Aufmerksamkeit war nicht Hawke, sondern Leopoldo López, prominentester Führer der venezolanischen Opposition und lange Zeit berühmtester politischer Gefangener des Landes. Vergangene Woche entkam López in einer geheimen Flucht nach Spanien, und dort gab er sein erstes Interview keinem Geringeren als eben jenem Ethan Hawke, dem Schauspieler und Star, der aber zugleich auch Mitschüler von López war.

Die Botschaft war klar: Seht her, ich habe mächtige Freunde. Und tatsächlich traf López sich einen Tag später auch noch mit Pedro Sánchez, dem spanischen Ministerpräsidenten. Das Problem ist allerdings, dass López nicht nur einflussreiche Freunde, sondern auch ebenso mächtige Feinde hat.

López stammt aus einer der prominentesten Familien des Landes, zu seinen Vorfahren gehört der südamerikanische Unabhängigkeitsheld Simón Bolívar persönlich, seine Verwandten mischten über Jahrzehnte in der Politik mit. Von Caracas aus zog López als Kind in die USA, er besuchte die Highschool, wo er angeblich auch Ethan Hawke traf, und er machte einen Abschluss in Harvard. Zurück in Venezuela ließ er sich zum Bürgermeister einer Oberklasse-Gemeinde wählen. Die Bewohner liebten ihn, die sozialistische Regierung aber hasste ihn. Hugo Chávez bezeichnete López als Agenten der CIA und ein Gericht verbot ihm, öffentliche Ämter zu bekleiden.

2014 dann erschütterten riesige Demonstrationen das Land, Hunderttausende gingen gegen die Regierung auf die Straße. Vorneweg marschierte López. Steine flogen, bald auch Kugeln, Dutzende Menschen starben. Die Regierung gab López eine Mitschuld, vermutlich nicht ganz zu Unrecht, wahrscheinlich aber auch, um sich eines lästigen Kritikers zu entledigen. López stellte sich nach ein paar Tagen der Polizei, umringt von Demonstranten.

In einem Schauprozess verurteilte ein Gericht ihn zu fast 14 Jahren Haft. Seine Frau, Lilian Tintori, übernahm daraufhin den politischen Kampf und den um die Freiheit ihres Mannes. Die ehemalige Kitesurf-Meisterin und TV-Moderatorin bekam Audienzen bei Präsidenten und sogar dem Papst. Nach mehr als drei Jahren wurde López in den Hausarrest entlassen, offiziell aus humanitären Gründen, vermutlich aber auch, um der Opposition etwas Wind aus den Segeln zu nehmen, allerdings ohne Erfolg.

2019 kam es abermals zu großen Aufständen in Venezuela, diesmal angeführt von Juan Guaidó, einem politischen Ziehsohn von López. Im allgemeinen Trubel schaffte es López, in der spanischen Botschaft Zuflucht zu finden, wo er die nächsten anderthalb Jahre blieb. Denn das Regime von Präsident Nicolás Maduro wankte zwar, kippte aber nicht.

Heute ist die venezolanische Opposition zerstrittener denn je. López und seine Partei, die rechtsgerichtete Voluntad Popular, gehören dabei zu dem unversöhnlichen Flügel, der eine Teilnahme an der Parlamentswahl im Dezember ablehnt und auf Sanktionen setzt. Wie wenig Rückhalt dieser Kurs mittlerweile aber hat, zeigt sich in der Flucht von López ins Ausland, hier hat Venezuelas einst wichtigster Oppositioneller noch einflussreiche Freunde. Zugleich werden López' Feinde aber immer stärker: Kurz nach seiner Flucht nach Spanien hat die Regierung in Caracas ein hochrangiges Mitglied seiner Partei verhaften lassen.

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