Süddeutsche Zeitung

Neue Kurienverfassung:Ein kleiner Sprung in die Moderne

Papst Franziskus setzt mit der nun in Kraft getretenen Konstitution "Praedicate Evangelium" zwei Zeichen: eines für die Frauen und eines für mehr Solidarität. Es ist auch sein politisches Testament.

Kommentar von Oliver Meiler

Vatikanische Revolutionen sind selten, jedenfalls im herkömmlichen Sinn: In der katholischen Kirche hängt schließlich jede Entscheidung am Papst, und der gibt den absoluten Monarchen der Institution. In der Geschichte haben Pontifizes vor allem dafür gesorgt, dass die Kirche wie ein großer Dampfer dahinfährt, allen Wellen und Witterungen der Zeit zum Trotz. Zwei Jahrtausende lang schon.

So besehen ist die neue Kurienverfassung von Franziskus, die an Pfingsten in Kraft getreten ist, schon einigermaßen revolutionär. "Praedicate Evangelium", "Verkündet das Evangelium", 250 Paragrafen auf 54 Seiten, ersetzt die Konstitution "Pastor Bonus" von Johannes Paul II. aus dem Jahr 1988. Es ist so etwas wie das politische Testament des nunmehr 85 Jahre alten Papstes aus Argentinien.

Als Jorge Mario Bergoglio 2013 gewählt wurde, versprach er, dass er die römische Kurie völlig umkrempeln werde: Er geißelte die Regierung der Kirche mit harschen Worten und setzte einen Kardinalsrat ein für die Reform. Die Arbeiten dauerten ewig lange.

Eine Neuordnung der Ressorts

Die neue Verfassung ordnet erstens die Ressorts neu, auch hierarchisch. Nicht das Dikasterium der Glaubenslehre steht nun zuoberst, die Introspektion also, sondern jenes der Evangelisierung, der globalen Außenwirkung der Kirche, und dem wird der Papst selbst vorsitzen. Auch das Almosenamt wird zum Dikasterium aufgewertet, es soll die solidarische Anmut spiegeln. Zweitens öffnet das Papier die Leitung der Ressorts auch Laien und Frauen. Ganz neu ist das nicht: In der Praxis rekrutierte der Papst bereits jenseits der kleinen Schar von Kardinälen und Erzbischöfen. Nun aber ist es Gesetz, ein kleiner Sprung in die Moderne.

Richtig revolutionär wäre natürlich, wenn Frauen bald auch Priesterinnen und Bischöfinnen werden könnten. Davon aber ist die katholische Kirche wohl noch eine weitere Ewigkeit entfernt.

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