USA:Zurück in eine repressive Vergangenheit

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"Abtreibung ist Mord": In Teilen der USA eine verbreitete Sichtweise. (Foto: JOE RAEDLE/AFP)

Der Supreme Court in den USA traf eine Entscheidung, aus der folgt: In konservativ regierten Bundesstaaten werden Abtreibungen illegal werden. Das ist fatal.

Kommentar von Hubert Wetzel, Washington

Neunundvierzig Jahre lang hatten amerikanische Frauen das Recht, eine ungewollte Schwangerschaft beenden zu lassen, wenn sie das wollten. Am Freitag wurde ihnen dieses Recht genommen. Mit fünf zu vier Stimmen votierte die konservative Richtermehrheit am Supreme Court dafür, das Grundsatzurteil Roe v. Wade aus dem Jahr 1973 zurückzunehmen. Der Oberste Gerichtshof verbietet damit nicht generell Abtreibungen in den USA. Aber er überlässt es wieder den einzelnen Bundesstaaten, Schwangerschaftsabbrüche gesetzlich zu regeln. Was das in konservativen, von den Republikanern beherrschten Staaten bedeutet, ist offensichtlich: Abtreibungen werden dort illegal werden, manchmal sogar in Fällen von Inzest und Vergewaltigung.

Die Demokraten haben es in der Vergangenheit den Republikanern leicht gemacht

In politischer Hinsicht ist das Urteil ein gewaltiger Sieg für die Republikaner. Sie arbeiten seit Jahrzehnten daran, konservative Richterinnen und Richter an den Supreme Court zu berufen, um Roe v. Wade zu kippen. Die Entscheidung vom Freitag ist das Ergebnis einer sehr gezielten, vollkommen offenen und mit viel Energie betriebenen politischen Kampagne. Dass die Demokraten sich in den vergangenen 50 Jahren nicht stärker bemüht haben, das Abtreibungsrecht gesetzlich zu verankern, anstatt sich nur auf ein Gerichtsurteil zu verlassen, das von den Konservativen von Anfang an angegriffen wurde und dessen dauerhafter Bestand immer fragwürdig war, hat es den Republikanern leichter gemacht. Die Demokraten können jedenfalls nicht behaupten, sie hätten nicht gewusst, was die Republikaner vorhaben.

Supreme Court
:In den USA fällt das landesweite Recht auf Abtreibung

Künftig können die Bundestaaten einen Schwangerschaftsabbruch verbieten - dafür macht das höchste Gericht des Landes den Weg frei. Nach fünf Jahrzehnten revidiert es damit ein umstrittenes Urteil. Präsident Biden spricht von "Verwirklichung einer extremen Ideologie".

Von Kassian Stroh

In gesellschaftlicher Hinsicht ist das Urteil ein gewaltiger Rückschritt. Man kann Abtreibungen aus allerlei Gründen befürworten oder ablehnen. Aber ein Verbot verhindert ja nicht alle Abbrüche, es macht sie zunächst einmal nur strafbar und gefährlicher. Es ist gut denkbar, dass dieses Urteil, das werdendes Leben schützen soll, das Leben von Müttern kosten wird. Und ein Verbot entmündigt Frauen, weil es so tut, als seien diese nicht fähig oder zu leichtfertig, um die schwierigen Abwägungen zu treffen, die mit einer Abtreibung verbunden sind. Das ist eine herablassende, bevormundende Haltung, die nichts mit der Realität zu tun hat.

Die meisten modernen, westlichen Gesellschaften erkennen an, dass Schwangerschaftsabbrüche unter bestimmten Umständen und während bestimmter Fristen möglich sein sollten. Sie akzeptieren, dass die letzte Entscheidung bei den betroffenen Frauen liegen sollte und dass es legale, medizinisch sichere Wege für eine Abtreibung geben muss. Das war auch in den USA fünf Jahrzehnte lang der Fall. Zumindest ein Teil Amerikas will zurück in eine repressive Vergangenheit - und der Supreme Court gibt dazu seinen Segen.

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