Süddeutsche Zeitung

Saudi-Arabien:Biden muss den Druck weiter erhöhen

Der US-Präsident Biden will in Nahost eine wertegebundene Politik durchsetzen. Sein erstes Ziel: der saudische Thronfolger, auch bekannt als "Vater der Knochensäge".

Kommentar von Moritz Baumstieger

Es wird wieder über Werte gesprochen, wenn die USA mit der arabischen Welt kommunizieren - über solche, die sich nicht primär in Dollar definieren. Nachdem Donald Trump den Potentaten der Region unverblümt gesagt hatte, ihm sei egal, wie sie mit ihren Untertanen umspringen, solange die Geschäftsbeziehungen florieren, wählt die Regierung von Joe Biden andere Worte. Und die zeigen bereits Wirkung.

Die Regierungen in Kairo und Riad, die sich eben noch brüsk Einmischung in innere Angelegenheiten verbaten, zeigen nun Gesten des guten Willens. In Ägypten kamen inhaftierte Aktivisten frei, Saudi-Arabien wandelte einige Todesstrafen in Haftstrafen um und entließ Loujain al-Hathloul, eine Ikone der Frauenbewegung, aus der Haft.

Der Kronprinz wird nun auch offiziell mit einem Stigma belegt

Biden will die US-Nahostpolitik neu kalibrieren, die Beziehungen zur Regionalmacht Saudi-Arabien stehen dabei im Mittelpunkt. Erst stellte er die Unterstützung für den Jemenkrieg ein, nun kappt er für alle Welt sichtbar das Band, das den heimlichen Herrscher von Riad bislang mit Washington verband: Kronprinz Mohammed bin Salman ist nach der Veröffentlichung des CIA-Reports zum Mord am Publizisten Jamal Khashoggi auch offiziell mit dem Stigma des Auftraggebers belegt, das er praktisch nicht nur im Westen, sondern auch in der arabischen Welt längst trägt. Abu Minshar, "Vater der Knochensäge", nennt man ihn dort - nach dem Gerät, mit dem sein Killerkommando den Körper Khashoggis in Istanbul zerteilte.

Politiker beider US-Parteien fordern, dieser symbolischen Bestrafung auch eine ganz praktische folgen zu lassen, etwa die Konten des Kronprinzen einzufrieren - die Sanktionen vom Freitag zielen auf sein Umfeld. Sie allein werden das Königreich nicht verändern. Die Zeiten, in denen ein gehobener oder gesenkter Daumen in Washington über die Karriere eines saudischen Thronkandidaten entschied, sind vorbei. Binnen weniger Jahre hat sich Mohammed bin Salman mit einer Mischung aus neuen Repressionen und überfälligen Reformen eine starke Stellung erobert. Er ist zugleich geliebt und gefürchtet. Die Macht seiner Kritiker hat er auch in der königlichen Familie gebrochen.

Wer hier wen aussitzen kann, dürfte klar sein

Wenn die US-Regierung wirkliche Veränderungen herbeiführen will, muss sie den Druck auch nach der Veröffentlichung des Reports hochhalten. Dass sich die Haltung Washingtons schnell ändern kann, weiß Mohammed bin Salman nur zu gut. Er ist 35 Jahre alt, Joe Biden 78 - wer wen aussitzen kann, dürfte klar sein.

Noch älter als die beiden ist jedoch der saudische König, um dessen Gesundheit die Gerüchte wuchern. Das Telefonat, das Biden mit ihm vor der Veröffentlichung des CIA-Reports führen wollte, musste Berichten zufolge verschoben werden, bis es Donnerstag zustande kam: Salman sei aus gesundheitlichen Gründen nicht zu erreichen gewesen. Das Weiße Haus mag nun betonen, dass für die US-Regierung nicht mehr Mohammed bin Salman erster Ansprechpartner in Riad ist, dass die Kontakte wieder zwischen den Staatsoberhäuptern geführt werden. Im Palast wird Mohammed bin Salman dennoch weiter die Kontrolle ausüben.

Dem Kronprinzen muss Bidens Team kontinuierlich klarmachen: Die Wirtschaft und Teile der Gesellschaft zu reformieren reicht nicht, solange das Herrschaftsmodell absolutistisch bleibt. Daran ändern auch ein paar symbolisch freigelassene Aktivisten nichts.

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