USA:Die Ein-Mann-Show ist vorbei

Joe Bidens Personaltableau und die Aufwertung der UN sind gute Nachrichten für die Bundesregierung und für die Europäische Union.

Von Paul-Anton Krüger

Der gewählte US-Präsident Joe Biden hat erste Entscheidungen zu seinem künftigen Kabinett getroffen: Außenminister soll Tony Blinken werden, unter Barack Obama war er Sicherheitsberater des damaligen Vizepräsidenten und später Vizeaußenminister. Als Nationaler Sicherheitsberater ist laut US-Medien Jake Sullivan gesetzt, der zu jener US-Delegation gehörte, die Geheimgespräche mit Iran führte und das Atomabkommen auf den Weg brachte. Die wahrscheinliche Verteidigungsministerin Michèle Flournoy diente unter Obama im Pentagon, gilt als Europa-Kennerin und überzeugte Transatlantikerin. Zudem will Biden die Karrierediplomatin Linda Thomas-Greenfield als Botschafterin bei den Vereinten Nationen nominieren - und dem Posten wieder Kabinettsrang verleihen.

Dieses Personaltableau und die Aufwertung der UN sind gute Nachrichten für die Bundesregierung und für die Europäische Union. Man wird künftig in Washington an den zentralen Schaltstellen der Außen- und Sicherheitspolitik wieder Ansprechpartner haben, die den Wert von Multilateralismus ebenso anerkennen wie den der transatlantischen Allianz - sei es bei der Bekämpfung der Pandemie, des Klimawandels oder beim Versuch, dem China Xi Jinpings wie dem Russland Wladimir Putins geschlossen entgegenzutreten.

Künftig werden wieder belastbare Absprachen mit einer Regierung möglich sein, weil es ein Zusammenwirken in Washington gibt, einen Prozess, in dem Politik definiert wird. Und nicht länger eine Ein-Mann-Show im Weißen Haus, die mit erratischen Tweets die Richtung vorgibt. Der Ton über den Atlantik hinweg wird von gegenseitiger Achtung geprägt sein, von einem Geist der Kooperation. Von der Einsicht, dass nur eine starke Nato die Sicherheit Europas garantieren kann, dies aber im Eigeninteresse der USA liegt - und nicht nur ein Kostenfaktor ist. Und von der Einsicht, dass die EU nicht ein Irrtum der Geschichte ist, sondern der wichtigste Partner Amerikas in einer Welt, die sich im größten Umbruch seit Ende des Kalten Krieges befindet.

In Paris, London und Berlin darf man auf eine Wiederbelebung der Diplomatie mit Iran hoffen

Allerdings wird es auch mit Biden kein Zurück in gerne verklärte Zeiten geben, in denen Europa sich vor allem um sich selbst kümmerte und seine Sicherheit den USA überließ. Zwar hat Donald Trump den Handelskrieg mit China vom Zaun gebrochen, aber der Pivot to Asia, die Hinwendung Amerikas zum Pazifik, war Obamas zentrale außenpolitische Devise. Biden wird ebenso auf dem Zwei-Prozent-Ziel bei den Verteidigungsausgaben beharren wie Trump.

In Paris, London und Berlin darf man auch auf eine Wiederbelebung der Diplomatie mit Iran hoffen. Ob indes das Atomabkommen noch zu retten sein wird, entscheidet sich auch maßgeblich in Teheran. Was Biden aber nicht rückgängig machen wird, ist der Rückzug der USA aus dem Nahen Osten und Afghanistan. Vielleicht ist der überstürzte Abzug noch aufzuhalten, den Trump durchdrücken will. Doch Europa wird sich viel stärker als bisher in der Region engagieren müssen. Sonst bestimmen dort Putin oder sein türkischer Widersacher Recep Tayyip Erdoğan den Lauf der Dinge, tragen die Regionalmächte ihr Ringen bald mit Waffen aus - oder China stößt in die Lücke. Die Folgen weiterer Verwerfungen zwischen Hindukusch und Levante werden jedenfalls in erster Linie Europa betreffen. Und das wird auch ein Präsident Biden den Europäern nicht abnehmen können oder wollen.

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