Während die Welt auf Russland, die Ukraine und die Nato schaut, ist ein wenig untergegangen, dass US-Präsident Joe Biden dieser Tage auch an einer anderen außenpolitischen Front Bemerkenswertes vollbracht hat: Er beschlagnahmte die Gold- und Devisenreserven Afghanistans im Wert von mehr als sieben Milliarden Dollar, die in den USA lagern und nach der neuen Machtübernahme der Taliban in Kabul eingefroren worden waren. Mit der einen Hälfte der Summe will Biden die Not leidenden Menschen in Afghanistan unterstützen, die andere soll vorerst für US-Bürger reserviert werden, die bei den Terrorangriffen vom 11. September 2001 Angehörige verloren haben und gegen die Taliban klagen.
So nachvollziehbar es ist, den Islamisten den Zugriff auf das Geld zu versperren, und so angemessen es erscheint, Terroropfer zu entschädigen: Was Biden hier tut, ist schlicht und ergreifend Diebstahl und ein handfester, ja himmelschreiender Skandal. Der Präsident beraubt ein Volk seiner ohnehin geringen Finanzreserven, die den USA im guten Glauben zur Verwahrung überlassen worden waren. Das Geld gehört nämlich nicht der afghanischen Regierung, nicht der Zentralbank und schon gar nicht den Taliban. Es gehört den Bürgerinnen und Bürgern eines geschundenen Landes, die seit der Rückkehr der Gotteskrieger und der Verhängung internationaler Sanktionen vielfach Hunger leiden und in manchen Fällen gar um ihr Leben fürchten. All diese Menschen hatten, womöglich von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, mit den Anschlägen vom 11. September nichts zu tun und mussten dennoch bereits zwei Jahrzehnte lang Krieg und brutale Machtkämpfe erdulden. Nun bestraft sie Biden ein weiteres Mal.
Die Bürger Afghanistans zu bestehlen, ist ein Akt übelster Machtpolitik, wie man ihn vielleicht von einem Donald Trump erwartet hätte. Aber nicht von einem Politiker, der sich nach eigener Aussage Demokratie und Rechtsstaatlichkeit verpflichtet fühlt.