US-Republikaner:Pence will die Scheidung

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Der einstige Vizepräsident setzt sich an die Spitze der Absetzbewegung von Donald Trump. Der Kampf um die nächste Kandidatur bricht aus.

Von Reymer Klüver

Lange hat es gedauert, ehe Donald Trumps einstiger Vizepräsident Mike Pence seine Stimme gefunden hat. Trump behauptet bis heute, dass sein Adlatus ihn mit einem Federstrich am 6. Januar 2021 zum Präsidenten hätte ernennen können, als der Kongress zusammengekommen war, um das Ergebnis der Präsidentschaftswahl zu bestätigen. Stattdessen hätte Pence das Wahlergebnis zugunsten Joe Bidens bestätigt. Das ist nach Einschätzung aller ernst zu nehmenden Menschen blanker Blödsinn, hindert Trump aber nicht daran, es trotzdem zu behaupten.

In letzter Zeit gab es bereits Signale, dass Pence nicht mehr länger gewillt sein könnte, stets auch noch die andere Backe hinzuhalten - immer dann nämlich, wenn sein früherer Chef ihm die Schuld daran gab, dass seine Präsidentschaft ihr Ende fand. So hatte Pence es nach langem Zögern seinen Mitarbeitern erlaubt, dem Kongressausschuss Rede und Antwort zu stehen, der die Ereignisse jenes 6. Januar untersucht. Aber so deutlich hat sich Pence noch nie distanziert, jener evangelikale Christ, der Trumps Präsidentschaft stets den Anstrich von Seriosität gegeben hat, die dem politischen Parvenü so kläglich fehlte. Endlich hat Pence den Trennungsstrich gezogen: "Präsident Trump hat unrecht", sagte er nun öffentlich und vor laufender Kamera. Und er legte nach: Nichts sei "unamerikanischer" als die Vorstellung, dass ein Einzelner, und sei es der Vizepräsident, das Ergebnis einer Wahl ändern könne.

In einer idealen Welt könnte man nun aufatmend feststellen: Endlich hat auch der traditionell konservativ-nationale Flügel der Republikaner begriffen, dass Trump eine Gefahr für die amerikanische Demokratie darstellt. Aber ist das wirklich so?

Natürlich geht es bei Trump immer auch um die Grundsätze der Partei. Ist alles gut für die Republikaner, was für Trump gut ist, oder gibt es noch unumstößliche Prinzipien? Wie sehr die Umwertung der Werte in der Partei vorangeschritten ist, zeigt die interne Auseinandersetzung um den Ukraine-Konflikt. Russland ist für Trumpianer nicht länger das "Reich des Bösen", wie es für Republikaner über Jahrzehnte hinweg selbstverständlich war. Nicht der autokratisch regierende russische Präsident ist der Buhmann, sondern sein immerhin demokratisch gewähltes Gegenüber in der Ukraine.

Der Streit um das Erbe hat begonnen

Unübersehbar ist, dass bei den Republikanern der Streit um die Erbfolge begonnen hat. Soll Trump selbst noch einmal antreten und sein eigener Nachfolger werden dürfen, wie er das offenkundig beabsichtigt? Wenn Pence jetzt von seinem einstigen Chef abrückt, dem er trotz aller Eskapaden vier Jahr lang treu den Steigbügel gehalten hat, will er sich als Rivale für die Kandidatur positionieren. So wie es der rechte Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, tut, der seit Wochen ostentativ den Kotau vor Trump verweigert.

Um die Unumstößlichkeit von Werten in der Republikanischen Partei geht es damit noch lange nicht. Erst in der vergangenen Woche haben die Republikaner im Repräsentantenhaus die einzigen beiden Abgeordneten in ihren Reihen gemaßregelt, die Trumps Umsturzversuch öffentlich kritisiert haben. Wo also bleibt der Rest der Aufrechten? Nein, die Republikaner haben ihre Seele längst verloren. Jetzt beginnt lediglich der blanke Machtkampf. Aber immerhin das: Die Auseinandersetzung gibt zur Hoffnung Anlass, dass sich Trump 2.0 vielleicht noch verhindern lässt.

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