Urteile gegen NGO-Mitarbeiter in Ägypten:Muslimbrüder brüskieren den Westen

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Haftstrafen gegen ausländische NGO-Mitarbeiter: Ein Foto von Februar 2012 zeigt Angeklagte in einem Gerichtssaal in Kairo. (Foto: dpa)

Die Urteile gegen ausländische Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen in Ägypten sind ein Signal: Die islamistischen Muslimbrüder sind an politischem Austausch ebenso wenig interessiert wie die alte Militärregierung. Die Botschaft für die Ägypter ist genauso klar. Wer sich für Demokratie einsetzt, lebt gefährlich.

Ein Kommentar von Sonja Zekri, Kairo

Nach 30 Jahren in Ägypten muss die Konrad-Adenauer-Stiftung auf ein Gerichtsurteil hin ihr Büro in Kairo schließen. Ihre Unterlagen werden beschlagnahmt. Ihr ehemaliger Leiter wurde in Abwesenheit zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt, eine deutsche Mitarbeiterin zu zwei Jahren. Haftstrafen und der Rauswurf von mindestens vier internationalen Stiftungen - für alle, die nach dem Sturz Hosni Mubaraks auf eine Annäherung zwischen Zivilgesellschaft und Staat gehofft hatten, auf ein Ende der ägyptische Paranoia gegenüber dem Westen und auf mehr Rechtssicherheit für demokratische Aktivisten, war es ein schwarzer Tag.

Da ist es völlig gleichgültig, ob der Schlag gegen die Nichtregierungsorganisationen - wie viele vermuten - einst im Dezember 2011 von einer eifersüchtigen Ministerin aus Mubarak-Zeiten forciert wurde, die es nicht verwinden konnte, dass US-Hilfsmillionen nicht mehr über ihren Tisch gingen. Und dass die Deutschen sozusagen nur Kollateralschaden waren. Und es ist auch nicht wichtig, ob der nächste Richter das jetzige Urteil wieder aufhebt. Die Botschaft an den Westen ist klar: Die neue Regierung der Muslimbrüder ist an einem politischen Austausch ebenso wenig interessiert wie die Militärregierung, unter der dieser Prozess vor eineinhalb Jahren begonnen hat. Die Botschaft für die Ägypter ist ebenso klar: Wer sich für Demokratie einsetzt, will Ägypten schwächen, ist ein Vaterlandsverräter, ein subversiver Wühler, kurz: gefährlich. Und mit solchen Menschen lässt man sich besser nicht ein.

Mit früheren Mubarak-Funktionären, so reich wie korrupt, sucht die Regierung des islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi inzwischen lukrative Kompromisse. Ein Polizist nach dem anderen, angeklagt wegen Folter oder Mord an Protestierenden, wird aus dem Gefängnis entlassen. Mit großer Regelmäßigkeit verurteilt hingegen werden Demokratie-Aktivisten oder all jene, die sich angeblich der Beleidigung des Präsidenten und des Koran schuldig gemacht haben.

Ägypten schürt die Angst vor dem Fremden

Im Falle der Stiftungen hatten viele, nicht zuletzt die Angeklagten, gehofft, dass das Verfahren mit Freisprüchen enden würde. Schließlich war schon der bisherige diplomatische Schaden immens. Ägypten erhält jährlich 1,3 Milliarden Dollar Militärhilfe aus Amerika. Von Deutschland will Kairo Entwicklungshilfe, Schuldenerlass und, natürlich, Investitionen. Bis jetzt hat US-Präsident Barack Obama alle Forderungen nach dem Einfrieren der Finanzhilfe überhört. Es ist die Frage, wie lange das noch geht.

Man könnte auf groteske Details verweisen: Darauf, dass auch Mursis Muslimbrüder in den Genuss des Demokratie-Trainings aus dem Ausland gekommen sind; dass die Islamistenorganisation selbst über Jahrzehnte illegal operierte - so illegal wie angeblich die Konrad-Adenauer-Stiftung - und erst nach Mursis Amtsantritt registriert wurde. Man könnte die Absurdität beklagen, dass die Stiftungen zwar in der Tat nicht registriert waren, aber sich über Jahre um eine Legalisierung bemühten - Jahre, in denen sie mit Ministerien zusammenarbeiteten und Wahlen beobachteten. Man könnte darauf verweisen, dass die Adenauer-Stiftung noch zu Jahresbeginn ins deutsch-ägyptische Kulturabkommen aufgenommen wurde, was die Kanzlerin als "gutes Signal" lobte. Angela Merkel - das macht die Sache nicht leichter - sitzt im Vorstand der Stiftung.

Aber all das würde ein juristisches Fundament voraussetzen, das Verfahren gegen politische Stiftungen selten haben, in Ägypten so wenig wie in Russland. In den meisten Fällen schüren Regierungen durch solche Prozesse die Angst vor dem Fremden zu eigenen Zwecken. Es ist eine Furcht, die politisch nutzbar ist - von allen autoritären Regimen der Welt.

© SZ vom 05.06.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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