Repräsentanten des deutschen Staates haben am Donnerstag über einen Repräsentanten des syrischen Staates zu Gericht gesessen. Auf der einen Seite: deutsche Richter. Auf der anderen Seite: ein syrischer Geheimdienst-Oberst a. D. Die Deutschen haben dem Syrer einen Vortrag gehalten. Sie haben ihm deutsche Paragrafen vorgehalten. Sie haben ihm erklärt, was er in seinem eigenen Land zu tun und zu lassen gehabt habe. Sie haben sich dazu aufgeschwungen, sich einzumischen in das Geschäft der souveränen Syrischen Arabischen Republik, und man kann dazu nichts anderes sagen als: ein Glück!
Ja, dies sind Richter eines anderen Landes. Es sind Richter eines anderen politischen Systems, und, ja: auch eines anderen Kulturkreises. Aber nichts davon spielt eine Rolle, nichts davon darf eine Rolle spielen, wenn es um Barbareien von der Sorte geht, wie sie in den Folterkellern des Assad-Regimes tagein, tagaus verübt wurden und verübt werden, um ein Volk in Angst zu halten. Foltermethoden wie der "deutsche Stuhl" mit beweglicher Lehne, die so lange zurückgebogen wird, bis manchem Opfer das Rückgrat bricht: Keine Politik entschuldigt so etwas. Kein Bürgerkrieg rechtfertigt so etwas.
Es ist das weltweit erste Urteil gegen einen Schergen des Assad-Regimes
Völkerrechtlich besteht kein Zweifel: Es ist egal, ob die Männer, die im Staat Syrien derzeit die Macht haben, solche Methoden legitim finden. Es ist auch egal, ob sie das Folterverbot jemals anerkannt oder sich ihm unterworfen haben. Vieles darf ein Staat frei entscheiden. Das nicht. Ein paar bescheidene Mindestanforderungen an Humanität gibt es, die so klar sind, dass sie universell gelten müssen. Dies ist das sogenannte Weltrechtsprinzip - eine in der Rechtsgeschichte, zugegeben, noch junge Idee. In Deutschland ist das Prinzip erst 2002 in die Paragrafen des Völkerstrafgesetzbuchs gegossen worden. In anderen Staaten heißen die Paragrafen anders.
Auf dieser Grundlage haben die Richter des Oberlandesgerichts Koblenz jetzt entschieden zu sagen, was sie erst seit wenigen Jahren juristisch befugt sind zu sagen: Der Geheimdienst-Oberst a. D. Anwar R., der in 4000 Kilometern Entfernung in Syrien gehandelt hat, ist ein Verbrecher. Es ist das weltweit erste Urteil gegen einen hochrangigen Schergen des Assad-Regimes. Deutschland ist da vorneweg gegangen. Die Nachbarländer Syriens hätten - ebenso freiwillig - auch solche Ermittlungen führen können. Die Staaten wie Libanon oder die Türkei wollten aber nicht. Auch die Vereinten Nationen, über deren Gerichtshöfe die Vetomacht Russland mitbestimmt, wollten nicht.
Auch in Ägypten etwa wird gefoltert. Aber da schaut Deutschland lieber weg
Der Einsatz der deutschen Justiz ist durchaus nicht frei von politischen Eigeninteressen. Man sieht das daran, welche Länder die Ermittler schonen. Die Folterkeller des ägyptischen Diktators al-Sisi beispielsweise, über die Menschenrechtsorganisationen auch eine Menge zu berichten wissen, sind für sie kein Thema. Auch die Folter in amerikanischen Gefangenenlagern im Nahen und Mittleren Osten oder in Guantanamo haben sie sich nie näher angesehen. Kurz bevor US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld im Jahr 2007 nach Deutschland reisen wollte, versicherte die Bundesanwaltschaft ihm: Keine Sorge, wir ermitteln nicht.
Und trotzdem ist es richtig, dass die deutsche Justiz jetzt derart stark gegen Syrien vorangeht. Je mehr, desto besser: Je mehr Jurisdiktionen auf der Welt sich, wenn auch selektiv, für einzelne Menschheitsverbrechen zu interessieren beginnen, desto riskanter wird es für die Foltermeister, sich auf dem Globus frei zu bewegen.