Ungarn:Der Egoist

Viktor Orbán hat mit seinem Veto gegen das Russland-Sanktionspaket dem Ruf der EU in der Welt geschadet. Echte Konsequenzen hat er bisher nicht fürchten müssen - doch das kann sich nun schnell ändern.

Kommentar von Matthias Kolb

Viktor Orbán hört nicht auf, die anderen Mitglieder der Europäischen Union zu provozieren. Wochenlang nun hat der Ungar Einwände gegen den Import-Stopp von russischem Öl in die EU vorgebracht. Bis zum russischen Angriff auf die Ukraine hatte der Autokrat Orbán die Nähe zu Wladimir Putin gesucht, der ihm billige Energie lieferte. Dass es für Ungarn also schwer wird, hier umzusteuern, ist unstrittig und daher sind die EU-Partner dem Land auch entgegengekommen. Dass Sanktionen Einstimmigkeit erfordern, nutzte der Politprofi natürlich aus.

An Orbáns Attacken auf die EU für die heimischen Medien, die fast alle von Günstlingen kontrolliert werden, hat man sich in Brüssel gewöhnt, denn am Ende war der Ungar immer bereit, einen Deal zu schließen. Nun ist aber offenbar eine neue Stufe der Eskalation erreicht: Einen Tag nach der politischen Einigung über das Sanktionspaket auf dem EU-Gipfel, stoppte Orbán die Umsetzung erneut - und verhinderte damit Sanktionen gegen den russischen Patriarchen Kyrill. Damit brüskiert Orbán Kommissionschefin Ursula von der Leyen und Kanzler Olaf Scholz, die den Kompromiss verteidigt haben, und er schwächt das globale Ansehen der EU.

Echte Konsequenzen für dieses rufschädigende Verhalten muss Orbán allerdings nicht fürchten, denn es gibt keine Möglichkeit, ein EU-Mitglied rauszuwerfen. Dennoch ist das Vorgehen nicht ohne Risiko, weil die anderen Ost- und Mitteleuropäer inzwischen wütend sind über Orbáns Egoismus. Seit 2018 läuft wegen des Abbaus der Rechtsstaatlichkeit ein Artikel-7-Verfahren gegen Budapest, das letztlich zum Entzug der Stimmrechte führen kann. Bisher hielten sich die Osteuropäer in dieser Frage zurück, doch langsam kippt die Stimmung. 21 Regierungen sind nötig, um Empfehlungen abzugeben, was Budapest verbessern muss. Das wäre ein symbolisch bedeutsamer Schritt. Denn er machte offiziell, was alle wissen: In der Verfassung, in der Ungarn heute ist, hätte es keine Chance, in die EU aufgenommen zu werden.

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