Süddeutsche Zeitung

Ungarn:Machtpoker

Viktor Orbán widersetzt sich dem Rechtsstaatsmechanismus der EU, um daheim als kämpfender Held dazustehen. Selbst wenn er in Brüssel verliert.

Von Cathrin Kahlweit

Viktor Orbán hat einen Hang zur Großmannssucht. Bei der Beerdigung des Dichters und Ex-Kultusministers Géza Szöcs verkündete er, es sei nicht genug für die Mächtigen, Gutes zu tun. Sie müssten nach den Sternen greifen. Ein erwachsener Mann, ein Ungar, könne sich mit weniger nicht zufriedengeben.

Orbán selbst greift vor allem nach Macht und Geld - für das Land, aber auch für seine Freunde, für sich selbst. Ungarn gehört zu den größten Nettoempfängern in der EU. Zugleich führt es die Liste der Länder an, denen Missbrauch von EU-Geldern vorgeworfen wird. Familienmitglieder und Unterstützer sind in Windeseile zu Oligarchen geworden, das System Orbán ernährt viele.

Das Veto des Ministerpräsidenten gegen den Rechtsstaatsmechanismus speist sich weniger aus der Angst, dass es damit vorbei sein könnte; dazu bleiben die Instrumente der EU zu schwach, und die Macht seiner Fidesz-Partei ist zu gut gesichert. Er kämpft vielmehr gegen eine strafende EU, die sein Geschwätz vom unbesiegbaren Ungarn widerlegt. Dass regierungsnahe Zeitungen von einer "homosexuellen Lobby" reden, die Ungarns Unabhängigkeit untergräbt, zeigt, wie irre die Selbstinszenierung mittlerweile ist. Hinter Orbáns Rhetorik steht ein Machtpoker. Wenn er in der EU verliert, gewinnt er zu Hause als Held, der sich Brüssel nicht beugen wollte.

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