Süddeutsche Zeitung

Ukraine:Was die Ukraine tun kann

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Klar, die zerstörte Infrastruktur muss so schnell wie möglich wieder aufgebaut werden. Und klar, der Westen muss massiv helfen. Aber: Ist jetzt wirklich schon die Zeit dafür gekommen?

Kommentar von Florian Hassel

Die westlichen Geberstaaten, die Geld für die Ukraine sammeln, sind nicht zu beneiden. Dass der Westen sich massiv daran beteiligen muss, die zerstörte Infrastruktur wieder aufzubauen, ist keine Frage; unabhängig davon, ob die Zerstörungen tatsächlich bereits schwindelerregende 750 Milliarden Dollar ausmachen, wie von Regierungschef Denys Schmyhal behauptet. Dann aber wird es kompliziert: Allein schon deshalb, weil die Demokratien des Westens ihren Wählern diese Milliardenhilfen verkaufen müssen, trotzdem auch dort die indirekten Kosten des Krieges explodieren. Außerdem gibt es keine Antworten auf Kernfragen: Was, wie, wann, durch wen?

Präsident Wolodimir Selenskij fordert, mit dem Wiederaufbau der angeblich zu einem Viertel zerstörten Infrastruktur sofort zu beginnen. Gewiss, es drängt, denn Ölraffinerien und Eisenbahnbrücken sind wichtig. Doch der Wiederaufbau ergibt keinen Sinn, solange Russland diese Ziele mit seinen immer noch reichlich vorhandenen Marschflugkörpern zerstört; solange es keine Hoffnung auf ein schnelles Kriegsende gibt, sondern Putin einen langen Krieg vorbereitet - und die Ukrainer verständlicherweise nicht bereit sind, offiziell den Anspruch auch nur auf einen Meter ihres Landes aufzugeben. Der wichtigste Beitrag zu einem späteren Wiederaufbau dürfte sein, der Ukraine jetzt schnell mehr moderne Raketensysteme und Abwehrsysteme à la Patriot zu liefern, um dem Kreml seine Möglichkeiten zur Zerstörung zu nehmen.

Die Antworten auf andere Fragen bleiben aber auch dann offen: Wie sollen Aufbauprojekte durchgeführt werden, ohne dass angesichts der nach wie vor grassierenden Korruption Milliarden verschwinden? Kiew ist einem der SZ kürzlich zugespielten Bericht für die EU zufolge kaum bereit, viel gegen Großkorruption zu unternehmen. Dies ist die wohl wichtigste Antwort auf die Frage, warum sich Geberstaaten mit Milliardenzusagen erst einmal zurückhalten.

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