Konflikt um die Ukraine:Amerikas Angebot zur Vernunft

Konflikt um die Ukraine: US-Botschafter John Sullivan betritt das russische Außenministerium, um die Antwort auf Moskaus Forderungskatalog zu überbringen.

US-Botschafter John Sullivan betritt das russische Außenministerium, um die Antwort auf Moskaus Forderungskatalog zu überbringen.

(Foto: Alexander Zemlianichenko/AP)

Die Antwort der USA auf die russischen Forderungen war längst bekannt. Also alles für den Papierkorb? Warum der schriftliche Austausch ein Weg aus der Krise sein kann.

Kommentar von Stefan Kornelius

Wladimir Putin hat die Ukraine-Krise konstruiert, die Eskalation der letzten Wochen folgt allein seinem Willen. Und so ist auch die schriftliche Antwort der US-Regierung auf die russischen Vorstellungen einer neuen europäischen Sicherheitsordnung nur ein Baustein in diesem Konstrukt, dessen Sinn sich nicht erschließt. Wäre es das russische Ziel gewesen, Verhandlungen über die Ostukraine, über Waffen, Manöver oder Cyber-Bedrohungen zu führen - das wäre leichter zu haben gewesen. Angebote dazu liegen seit Jahren auf dem Tisch.

Deswegen ist die in Washington formulierte Antwort auf die zwei vermessenen Vertragsentwürfe inhaltlich erst mal nur eine Formalie. Was in diesem Schreiben steht, wurde in vielen Gesprächsrunden öffentlich gesagt. Natürlich wird die Nato nicht auf das Prinzip verzichten, dass sie die Mitgliedschaft jedem Staat zugesteht, der bestimmte Voraussetzungen erfüllt (die Ukraine erfüllt sie momentan nicht). Natürlich werden die USA nicht ihre Nuklearwaffen aus Europa abziehen, die seit Jahrzehnten Teil eines Abschreckungskalküls sind, das ja für alle Seiten - Russland wie den Westen - aufgeht. Verzichten könnte man auf diese Waffen, wenn alle sie für überflüssig hielten, aber das ist Wunschdenken. Und natürlich wird die Aufnahme der baltischen Staaten, Polens oder der südosteuropäischen Staaten nicht rückabgewickelt. Diese Staaten haben sich in einem demokratischen Verfahren und damit in souveräner Entscheidung für das Bündnis ausgesprochen. Niemand hat sie zur Mitgliedschaft gezwungen.

So bleibt die Hoffnung, dass Russland die schriftliche Antwort auf sein Ordnungsdiktat als Ausgangspunkt für seriöse Verhandlungen und einen Ausweg aus der Krise nutzt. Für diese Verhandlungen bleiben genug Themen, darunter natürlich auch die von der russischen Regierung empfundene Bedrohung. Es lässt sich also reden über Kurz- und Mittelstreckenraketen, über den Abbau nuklearer Waffen, über Größe und Ort von Manövern, über den Austausch von Offizieren zur Vertrauensbildung. All dies wurde schon einmal geregelt (in der Nato-Russland-Grundakte) und mehrmals zur Renovierung aufgerufen.

Verhandlungen würden Putin einzwängen

Aber geht es darum? Natürlich nicht. Wer Wladimir Putin in eine Verhandlungslogik einbindet, nimmt ihm seinen größten taktischen Vorteil: zu handeln, wann und wie er will. Aus dieser Überraschung entsteht der Druck, den der Westen so schmerzhaft empfindet, der Gesellschaften spaltet und Parlamente wie gerade den Bundestag streiten lässt. Es ist die bohrende Kraft der Ungewissheit, die Ohnmacht, Hilflosigkeit und Schwäche erzeugt.

Wäre es also besser gewesen, auf die schriftliche Antwort zu verzichten, oder simpler ausgedrückt: nicht über das Stöckchen zu springen, das Putin hält? Das wäre es nicht, denn nur der Austausch schriftlicher Vorstellungen eröffnet ja erst die Möglichkeit, den Konflikt von den Aufmarschplätzen an der ukrainischen Ostgrenze in die Verhandlungszimmer nach Genf zu verlagern. Die USA, die Nato, der Westen: Sie haben nur die Option, diesen Konflikt zu rationalisieren und in das Korsett der Diplomatie zu zwängen. Dazu sollte kein Versuch zu unbedeutend sein.

Bedeutend sind jetzt auch Geschlossenheit und Entschlossenheit. Die USA und ihre Verbündeten haben getan, was vernünftig und möglich war. Wladimir Putin muss nun entscheiden, ob er einen Krieg führen will. Den Preis dafür kennt er.

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