Michael Kretschmer:Anwalt des Gefühlten

Sachsens Ministerpräsident will den Krieg in der Ukraine "einfrieren". Wie perfide.

Kommentar von Iris Mayer

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer will den Krieg in der Ukraine "einfrieren", legt aber seit Wochen selbst ein Feuer nach dem anderen. Egal, ob es um Ölembargo, Waffenlieferungen oder Energiewende geht, der stellvertretende CDU-Chef tritt als Anwalt des gefühlten sächsischen Volkswillens auf. Dabei geht seine Forderung an der Wirklichkeit komplett vorbei: Verhandlungen sind unmöglich, wenn der Angreifer nicht reden, sondern bombardieren will. Kretschmers Argument aber, der Ukraine-Krieg müsse deswegen schleunigst enden, weil er Europa und die deutsche Wirtschaft in besonderem Maße ins Chaos stürzt, ist perfide. Nicht der völkerrechtswidrige Überfall ist demnach das Problem, nicht Tausende tote Männer, Frauen und Kinder, zerbombte Städte und zerstörte Ernten in der Ukraine, sondern erst die Tatsache, dass dies auch Konsequenzen in Dresden und Dortmund hat.

Man merkt Kretschmer die Empörung über diese Zumutung fast körperlich an. Beinahe täglich meldet er sich mit Fundamentalkritik an der Ampel, ohne Rücksicht auf die eigenen Koalitionspartner SPD und Grüne übrigens. Die Energiewende? In Kretschmers Augen gescheitert, solange Atomkraftwerke nicht länger laufen. Das Ölembargo? Für Kretschmer nur dann akzeptabel, wenn es ohne Härten für den Osten zu haben ist. Schwere Waffen an die Ukraine liefern, wie von der Unionsfraktion im Bundestag mit beschlossen? Kretschmer zweifelt daran lieber öffentlich und inszeniert sich als "Vertreter der Mehrheitsmeinung der Gesellschaft".

Das mag den Nerv all jener treffen, denen egal ist, was in der Welt passiert, solange es nur zu Hause bequem bleibt. Doch es lässt all die zurück, die von einem Ministerpräsidenten erwarten, dass er sein Bundesland bestmöglich durch eine Krise steuert, die er weder selbst verursacht hat noch alleine lösen könnte. Auch deshalb wäre es gut, Kretschmer befasste sich mit Sachsen und überließe die Außenpolitik dem Kanzleramt.

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