Ukraine-Konflikt:Brüssel muss sich rüsten

Die EU klagt darüber, beim Ringen um die Ukraine nicht genug einbezogen zu werden. Dabei haben ihre Mitglieder Möglichkeiten, Einfluss zu nehmen.

Von Matthias Kolb

Brüssel ist ein Ort, in dem Hierarchien ebenso wichtig sind wie Eitelkeiten. Wer redet wann mit welchem ausländischen Gast und wer äußert sich wann - darüber reden EU-Beamte, Diplomatinnen, Abgeordnete und Beobachter liebend gerne. Für solche, oft kleinlichen Fragen der Profilierung aber eignet sich der russische Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine sicher nicht. Dass die EU bei den Versuchen, einen Krieg abzuwenden, nicht in allen Runden dabei ist, mag den Außenbeauftragten Josep Borrell und Kommissionschefin Ursula von der Leyen stören - ihre öffentlichen Klagen werden daran aber nichts ändern und obendrein eher die Geschlossenheit des Westens untergraben.

Indem er 100 000 einsatzbereite Soldaten hat verlegen lassen, hat Präsident Putin Gespräche erzwungen - und niemand darf sich wundern, dass er vor allem mit US-Präsident Joe Biden verhandeln will. Das liegt nicht nur daran, dass Russland sich so auf Augenhöhe zur Weltmacht Amerika fühlen kann. Es geht eben um knallharte geopolitische und militärische Fragen - und da ist die EU abgemeldet. Borrells Klagen verwundern aus zwei Gründen: Die Biden-Regierung bemüht sich enorm, ihre Verbündeten in Europa umfassend zu informieren. Und außen vor sind die meisten EU-Mitglieder ohnehin nicht, denn sie sitzen als Teil der Nato mit am Tisch.

Statt zu klagen, sollte man sich in Brüssel seiner Möglichkeiten bewusst sein. Militärisch ist die EU zu vernachlässigen, wirtschaftlich nicht. Die Sanktionen, die man Moskau für den Fall einer militärischen Aggression gegenüber Kiew angedroht hat, müssen so vorbereitet werden, dass sie innerhalb von Stunden beschlossen werden können. Wenn diese Maßnahmen Putin wirklich schmerzen sollen, müssen sie auch für EU-Mitglieder und deren Firmen spürbar sein. Hier einen Konsens beziehungsweise einen Ausgleich zu finden zwischen den 27 Ländern, deren Wirtschaften unterschiedlich eng mit Russland verbunden sind, ist schwer genug - und aller Mühen wert.

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