Die smarte neue Dienstleistungswelt ist eine feine Sache. Die automatisierten Prozesse machen das Lieferanten-Kunden-Verhältnis irrsinnig transparent. Wo ist mein Paket jetzt? In welcher Sekunde wird der Preis abgebucht? Und an welcher Ecke steht gerade der online gebuchte Chauffeur? Wo man vor ein paar Jahren noch in der Telefonschlange des örtlichen Taxi-Monopolisten hing und später angsterfüllt aufs Taxameter starrte, ob das Geld denn reichen wird, bieten neue Chauffeurdienste heute den Durchblick per Klick: Die Kundschaft kennt sofort Namen und Autonummer des Abholers, dessen Grad an Freundlichkeit (ein bis fünf Sterne freundlich), sieht die Fahrtroute und die verbleibenden Minuten bis zur Abholung und weiß auch schon auf den Cent, was das Ganze kosten wird - inklusive Trinkgeld. Der Abholer indes bekommt vorab das Fahrtziel, den Namen und sogar die Handynummer des Gastes übermittelt. Ein Geschäft auf Augenhöhe: Ich weiß, was du willst, dafür sage ich dir, was ich biete. Vieles davon haben die Taxler inzwischen übernommen, sie sind ja nicht doof.
Auf einer anderen Ebene aber kann von solcher Transparenz keine Rede sein. Die aktuelle internationale Recherche zu den Uber Files - einem Konvolut von Dokumenten aus dem Inneren des US-Fahrdienstleisters Uber - belegt, was die neue digitale Konkurrenz aus der alten analogen Welt herübergerettet hat: die Kunst des Lobbyierens. Waffenlobby, Automobillobby, Pharmalobby, Taxilobby (!) - Vorbilder für ausgefeilte Techniken, diskret die politischen Rahmenbedingungen für den größtmöglichen Umsatz herzustellen, gibt es ja reichlich. Die Uber Files lehren: Die Neuen, die können das auch.
Natürlich haben die Konzerne hier kein Interesse an Öffentlichkeit
Lobbyismus ist nicht per se etwas Schlechtes. Es kann durchaus sinnvoll sein, dass diejenigen Interessenvertretungen, deren Branchenbedingungen von einem neuen Gesetz maßgeblich beeinflusst werden, ihre Expertise einbringen. Frag jemanden, der davon Ahnung hat: Wer wüsste nicht, dass das eigentlich eine gute Idee ist. Das Problem ist, dass man immer noch nicht genau genug erfährt, wer wann mit wem worüber gesprochen hat. Das Lobbyregister des Bundestags, nach zehnjähriger Debatte in diesem Jahr endlich online gegangen, benennt jetzt zwar die Lobbyisten (wenn sie sich vorschriftsmäßig in das Register eintragen) - aber zum Beispiel nicht exakt, wer wie viel Geld für welchen Zweck investiert hat.
Dass Konzerne wenig bis kein Interesse daran haben, solche Transparenz walten zu lassen, auch dafür liefern die Uber Files Hinweise. Wenn etwa der Kontakt zu einer Ex-EU-Kommissarin wie der Niederländerin Neelie Kroes als "streng vertraulich" eingestuft wurde, ihr Name nirgendwo schriftlich auftauchten sollte - dann muss man sich schon fragen: Warum eigentlich nicht? Und warum hat sich Emmanuel Macron in seiner Zeit als französischer Wirtschaftsminister mindestens vier Mal mit Uber-Vertretern getroffen - aber nur eines dieser Meetings öffentlich gemacht?
Das Lobbyregister hierzulande, so wünschen es sich SPD und Grüne, soll nachgebessert werden, Gesetze sollen einen "Fußabdruck" erhalten, der klar erkennen lässt, welche Interessengruppen daran mitgearbeitet haben. Wäre Transparenz ein Uber-Auto, die App würde anzeigen: Das Ziel ist noch nicht erreicht.