Süddeutsche Zeitung

Kurdenführer Demirtaş:Wäre es nicht die Türkei...

Wie die Justiz einen Prozess nutzen könnte, die Oppositionspartei HDP von Selahattin Demirtaş weiter zu schwächen.

Von Tomas Avenarius

Wäre es nicht die Türkei, würde man sagen, der Richterspruch bleibt abzuwarten. Beim Prozess wegen der Kobanê-Proteste von 2014 soll herausgefunden werden, wer verantwortlich ist für Dutzende Tote bei den Protesten. Demonstranten und Gegendemonstranten attackierten sich, die Polizei setzte auf größte Härte. Wer wen getötet hat, wird sich fast sieben Jahre später schwer sagen lassen.

Dennoch sollte man der Justiz vertrauen - wäre es nicht die Türkei. In der syrisch-türkischen Grenzstadt Kobanê kämpften 2014 syrische Kurden gegen die Dschihadisten des "Islamischen Staates". Der IS wurde mithilfe von Kurden aus der Türkei und US-Luftunterstützung geschlagen. Während der Schlacht kam es zu blutigen Protesten, weil Ankara kampfwillige türkische Kurden nicht nach und Flüchtlinge nicht aus Kobanê passieren lassen wollte.

Beteiligt an den Demonstrationen waren aber nicht nur Kurden, sondern auch Islamisten. Jetzt steht neben 107 Angeklagten der frühere HDP-Co-Chef Selahattin Demirtaş vor Gericht, ein ikonischer Kurden-Politiker. Zu befürchten ist, dass die Justiz das Kobanê-Verfahren nun nutzt, um die HDP zu schwächen: Denn die Demirtaş-Partei ist nicht nur eine Kurden-Partei, sondern auch eine wichtige Oppositionskraft in der Erdoğan-Türkei.

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