Die drakonischen Urteile gegen den türkischen Kulturmäzen Osman Kavala und mehr als ein Dutzend Verteidiger der Zivilgesellschaft sprechen jeder Rechtstaatlichkeit Hohn. Bis zuletzt hatten Kavalas Unterstützer und internationale Prozessbeobachter in Istanbul auf einen Freispruch in dem langen, zermürbenden Verfahren gehofft. In der politisierten Justiz im Erdoğan-Staat ist mit Gerechtigkeit aber nicht mehr zu rechnen, auch wenn die Vorwürfe noch so haltlos sind. Die Justiz zeichnet sich durch Willkür und Willfährigkeit aus. Sie ist zu einem politischen Racheinstrument geworden; der Staatspräsident, der jeden Widerspruch klein halten will, hat die Rolle des Chefanklägers übernommen.
Für Recep Tayyip Erdogan ist der 64-jährige Unternehmer und Kulturförderer Kavala eine Symbolfigur für so vieles, was ihm Angst macht: eine plurale, lebendige Gesellschaft, die sich eine andere Türkei vorstellen kann. Mit einem parlamentarischen System, das diesen Namen verdient, mit einem Präsidenten, der seine Macht teilt, mit Presse- und Versammlungsfreiheit. Erdoğan hat sich zuletzt darum bemüht, sein Image außerhalb der Türkei wieder zu verbessern, er hat sich zum Vermittler zwischen Russland und der Ukraine aufgeschwungen. Am Montag, als das Gericht tagte, suchte UN-Generalsekretär António Guterres ihn in Ankara auf, bevor er am Dienstag erst nach Moskau und dann nach Kiew reisen wird. Wer Frieden in der Welt sucht, aber im eigenen Land Unfrieden sät, ist kein glaubwürdiger Vermittler. Diese einfache Erkenntnis ist offenbar im hermetisch abgeschotteten Präsidentenpalast von Ankara nicht angekommen.
Nun droht der Türkei der Ausschluss aus dem Europarat. Denn Ankara hat die Forderung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, Kavala wegen erwiesener Unschuld freizulassen, seit 2019 ignoriert. Die Türkei ist mit dem Urteil noch ein ganzes Stück tiefer in die politische Finsternis gerückt.