Süddeutsche Zeitung

Türkei:Unerbittlich gegen Kritiker

Meinungsfreiheit, Pressefreiheit? Zählen nicht in der Türkei. Der Fall Dündar ist nur einer von vielen.

Kommentar von Tomas Avenarius, Istanbul

Wie unerbittlich die türkische Regierung, vertreten durch die türkische Justiz, gegen Kritiker und Gegner vorgeht, zeigt sich gerade wieder exemplarisch in drei Fällen. Da ist zunächst der Fall Osman Kavala. Der Kulturmäzen und Aktivist sitzt seit drei Jahren in Untersuchungshaft. Er kommt nicht einmal für die Dauer eines gerade eröffneten neuen, sehr fragwürdigen Verfahrens frei. Geschweige denn, dass die Vorwürfe fallen gelassen würden.

Dann ist da der Fall Selahattin Demirtaş: Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof fordert die Freilassung des seit 2016 in Untersuchungshaft sitzenden Kurdenpolitikers. Als Mitglied des Europarats müsste die Türkei dem Urteil Folge leisten. Doch Präsident Erdoğan gibt den Straßburger Richtern persönlich einen Korb: Sie seien "scheinheilig", sagt er, und sie unterstützten einen "Terroristen".

Und nun der Fall Can Dündar. Der Journalist hatte über einen vom Geheimdienst organisierten Waffenschmuggel an syrische Rebellen berichtet. Selbst aufgedeckt hatte Dündar den Fall nicht: Eine den Präsidenten Erdoğan bekämpfende Fraktion in der Justiz hatte die Agenten hochgehen lassen; um der Regierung zu schaden, wurden einzelnen Medien Informationen zugespielt.

Dündar, verurteilt zu 27 Jahren Haft, ist nun der Sündenbock in einem Verfahren, das politisch motiviert wirkt. Und das den türkischen Medien zugleich zeigt, dass Pressefreiheit in diesem Land nicht zählt.

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SZ/jok/ghe
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