Melekh Yisrael, der König von Israel - das ist im wenig zimperlichen Tagesgeschäft des Landes seit vielen Jahren nur einer: Benjamin Netanjahu. König ist man in der Regel ein Leben lang, aber das gestattet weder die israelische Verfassung noch die politische Konkurrenz, die nun wieder - zum vierten Mal in zwei Jahren - die Chance hat, den Regenten vom Thron zu stoßen. Hat Bibi sein Spiel mit den Wählern endgültig übertrieben?
Der Koalitionsbruch in Israel und Netanjahus Niedergang gehen einher mit anderen hoffnungsstiftenden Signalen aus der Welt der Populisten. Donald Trump: abgewählt und isoliert, ein Wüterich, eingesperrt für vier Wochen noch im ovalen Zimmer des Weißen Hauses. Boris Johnson: ein Kaiser mit immer neuen Kleidern. Woche um Woche tritt der britische Premier vor sein Volk, verspricht den Himmel auf Erden, während die Pandemie einen Vorgeschmack auf das Leben in splendid isolation liefert.
Die Populisten-Herrscher, so scheint es, haben am Ende eines Wahlzyklus viel von ihrem Kapital verzehrt. Der Brexit und Donald Trumps Aufstieg im Jahr 2016 führten die Mutterländer des demokratischen Liberalismus in eine historisch einmalige Krise. Nun, nach vier Jahren, scheint der Spuk zu verfliegen. Joe Biden wird Präsident. Und Johnson wird sich nach dem am Donnerstag im letzten Moment geschlossenen Deal mit der EU der Handelslogik unterwerfen, die selbst weniger demokratische Systeme akzeptieren, wenn sie in einer verflochtenen Welt mit anderen klarkommen wollen. Vermutlich wird in den kommenden Wochen sein Nimbus als Premier verfliegen, und die Tory-Meute wird sich gegen ihn wenden.
Netanjahu war im Club der zeitgenössischen Populisten ein Trendsetzer. Seine Mixtur aus Nationalismus, Chauvinismus und Elitenverachtung wurde gerne kopiert. Nicht ganz zufällig fühlten sich Trump, Narendra Modi, Viktor Orbán oder ein Matteo Salvini recht wohl in seiner Begleitung.
Populisten leben auf Kosten der demokratischen Idee
Die meisten Populisten-Karrieren zeigen aber auch: Wenn die Herrscher nicht am System schrauben, wenn sie nicht die demokratischen Normen brechen und die Spielregeln der Verfassung außer Kraft setzen (wie es Orbán tut), dann nutzt sich ihr Machtsystem ab. Demokratien sind nun mal auf Ausgleich und Kompromiss angelegt, auf die Einsicht, dass Macht nur auf Zeit verliehen ist und die Opposition mit fairen Methoden Zugriff auf den Kuchen bekommen kann.
Populisten leben indes von der Spaltung, sie brennen nicht für die demokratische Idee, sondern leben auf deren Kosten. Trump verstärkte die Zwietracht im Land in ungeahnter Weise. Netanjahu war ein Meister der politischen Spaltung und liebte die Rolle des Teilchenbeschleunigers im Parteiensystem. Johnson lebte von der Fiktion der Isolation, der Autonomie. Sie endet nun vor leeren Supermarktregalen.
Aber Vorsicht: Selbst wenn sich der Populismus in einer funktionierenden Demokratie selbst zerstört, wird die Demokratie dadurch nicht automatisch stärker. Der britische Historiker Timothy Garton Ash wies gerade darauf hin, dass es zum ersten Mal in diesem Jahrhundert unter den Staaten der Erde mit mehr als einer Million Bürgern weniger Demokratien als nicht-demokratische Regime gebe.
Die populistische Versuchung gibt es, seitdem der Mensch schreiben und reden kann. Populisten werden weiter mit simpler Logik und goldenen Verheißungen um Gefolgschaft buhlen. Die Welle der Zustimmung trägt nun mal so angenehm - bis sie bricht.