Süddeutsche Zeitung

TV-Triell:Vergebene Chancen

Die dritte und letzte Fernsehdebatte hätte die Gelegenheit geboten, den Wahlkampf um neue Aspekte zu bereichern. Die Kandidaten und die Sender haben sie nicht genutzt.

Kommentar von Alexandra Föderl-Schmid

Es ist vollbracht! Noch nie gab es ein Triell, noch nie drei TV-Konfrontationen in solch einer Konstellation vor einer Bundestagswahl. Aber haben die Auseinandersetzungen wirklich etwas gebracht? Ein Viertel der Wahlberechtigten sei noch unentschieden, hieß es zum Auftakt des letzten Aufeinandertreffens der drei Aspiranten fürs Kanzleramt. Die Zahl dürfte nicht kleiner geworden sein nach diesem Sonntagabend.

Der dritte Anlauf wäre die Chance gewesen, eine Woche vor der Bundestagswahl etwas Neues zu wagen: Die TV-Sender Pro Sieben, Sat 1 und Kabel Eins hätten andere Themen als bisher aufgreifen, die Kandidaten Armin Laschet (Union), Olaf Scholz (SPD) und Annalena Baerbock (Grüne) hätten mit überraschenden Ansagen auf sich aufmerksam machen können.

Aber es kam, was offenbar kommen musste: Die bekannten Triell-Themen Soziales, Klima und Corona. Und die bekannten Antworten - alles schon genau so oder so ähnlich gehört in diesem Wahlkampf. Auch die üblichen Koalitionsvarianten wurden durchgekaut.

Es menschelte etwas mehr bei diesem zweiten Triell der Privatsender: Baerbock und Laschet bauten ihre familiären Hintergründe ein. Sogar Moderatorin Linda Zervakis enthüllte, dass sie das 30 Jahre alte Micky-Maus-Heft, das als Anklageschrift für Versäumnisse beim Klimaschutz herhalten musste, aus dem elterlichen Kiosk hatte. Nur Scholz ließ sich nicht zu mehr Privatem oder gar Emotionalem hinreißen, nicht einmal die Ohren glühten, wie beim zweiten Triell, als es um die Razzia in seinem Ministerium ging. Einmal Scholz, immer Scholz - auch als Gewinner der Trielle in den Blitzumfragen. Sollte er es ins Kanzleramt schaffen, wird er sein Versprechen von diesem Abend, die Einführung eines Mindestlohns von zwölf Euro im ersten Jahr seiner Regierungszeit, wohl noch öfters vorgehalten bekommen.

Laschet hat diesmal die Rolle des Erklärers eingenommen. Sie passte besser zu ihm als die zuletzt eingenommene des krawalligen Angreifers. Baerbock, die von Triell zu Triell an Sicherheit gewann, hat weniger moderiert und sich angriffslustiger gezeigt.

Rot-grüne Annäherungen

Die grüne Kandidatin musste sich schon fast gegen Annäherungsversuche von Scholz wehren, der sich sogar zu dem Satz hinreißen ließ: "Ich unterstütze das, was Frau Baerbock sagte." Rot und Grün rückten an diesem Abend erkennbar näher, so nahe, dass der SPD-Kanzlerkandidat am Ende offenbarte, dass er "am liebsten" mit den Grünen koalieren würde. Baerbock ließ auch durchblicken, dass ihr eine von der SPD geführte Dreierkoalition lieber wäre als eine von der CDU dirigierte Regierung - also Präferenz Ampel vor Jamaika. Scholz und Baerbock waren sich einig, dass die Union eigentlich auf die Oppositionsbank gehöre.

Immerhin gaben die beiden Moderatorinnen, die abgestimmter wirkten, als das Team von ARD und ZDF, dem bisher vernachlässigten Thema Digitalisierung noch Raum, aber inhaltlich ergab sich dabei nicht allzu viel Konkretes. Die Europa- und Außenpolitik wurde auch diesmal ausgespart. Das kann man sowohl den Sendern als auch den Kandidaten vorwerfen. Das damit verbundene Signal ist: Deutschland ist auf sich selbst bezogen. Das ist nicht nur für Beobachterinnen und Beobachter in der Welt draußen irritierend angesichts von Deutschlands führender Rolle in Europa und dem Vakuum, das Angela Merkel als Leitfigur auf der politischen Bühne hinterlässt.

Anders als in den USA waren die drei TV-Konfrontationen nicht aufeinander abgestimmt. Sie haben zu viel Ähnliches geboten und damit viele gelangweilt, im schlimmsten Falle Wählerinnen und Wähler abgeschreckt - eine vergebene Chance, ein breiteres Themenspektrum abzudecken und die Kandidaten und die Kandidatin mehr zu fordern. Auch das letzte Triell trug nicht dazu bei, tatsächlich Entscheidungshilfe für Unentschlossene anzubieten. Für viele bleibt wohl nur noch der Wahl-O-Mat.

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