Triell:Die Wähler haben eine echte Wahl

Laschet kann doch leidenschaftlich kämpfen, Baerbock darf wieder über Inhalte streiten, und Scholz gibt den Buddha-gleichen Merkelianer. Das Triell hat das Rennen ums Kanzleramt noch einmal spannender gemacht.

Kommentar von Stefan Braun

Da sage noch einer, Armin Laschet könne nicht kämpfen. Am Sonntagabend hat er - so gut er kann - das Gegenteil bewiesen. Der Kanzlerkandidat der Union hat im ersten von drei Triellen seine Kontrahenten mehr als einmal hart angegriffen. Mal im Streit um die den Konsequenzen, die sich aus dem Afghanistan-Desaster ergeben; mal in der Frage, wie die anderen beiden mit der Linkspartei umzugehen gedenken. Er sollte und wollte erkennbar werden, und man kann nicht behaupten, dass er nicht geliefert hätte.

Da sage noch einer, Annalena Baerbock sei aus dem Wettstreit um das Kanzleramt schon ausgeschieden. Beim Zusammentreffen mit Laschet und Olaf Scholz zeigte sich, wie sie inhaltlich streiten kann, wenn Plagiatsversuche und Lebenslaufübertreibungen mal keine Rolle spielen. Dann kann sie beweisen, dass die Grünen mindestens beim Klimaschutz am ehesten einen Plan für einen Neuanfang haben. Mit einem Mal war zu spüren, wie sie agiert, wenn ihre persönlichen Fehler in den Hintergrund treten.

Und da sage noch einer, Angela Merkel werde bei dieser Wahl nicht mehr mit dabei sein. In Scholz fand sie am Sonntag einen Nachfolger, der so merkelesk redete und auftrat, als wolle er wie einst die damalige CDU-Vorsitzende seine Gegner durch den Verzicht auf jegliche Provokation und Angriffsfläche ins Leere laufen lassen. Mehr als anderthalb Stunden lang stand der SPD-Kanzlerkandidat im Fernsehstudio und zeigte derart wenig Emotionen, dass man schon fürchten musste, er nicke jeden Moment ein. Das war freilich kein Zufall. Seine Kernkompetenz, von Merkel abgekupfert, heißt: Ruhe ausstrahlen.

Man darf hoffen, dass Inhalte doch noch eine größere Rolle spielen

Aus all dem ergibt sich für die Wahl dreierlei. Erstens sind die Kandidatin und ihre beiden Rivalen endgültig im Finale ihres Wettstreits angekommen. Zweitens gibt es weder in den Umfragen noch bei der persönlichen Performance schon einen klaren Sieger. Im Gegenteil dürfte dieser Abend das Rennen noch einmal spannender gemacht haben. Und drittens darf man hoffen, dass in dieser historischen Situation nach 16 Jahren Merkel Inhalte tatsächlich und doch noch eine größere Rolle spielen.

Die eigentlichen Gewinner des Abends sind die Wählerinnen und Wähler. Vor ihren Augen traten die Stärken und Schwächen von Laschet, Scholz und Baerbock offen zutage. Gebündelt, manchmal zugespitzt. Auf alle Fälle aber so, dass man bei dieser Wahl wirklich eine Wahl hat. Alles Wehklagen, die Parteien seien nicht mehr zu unterscheiden, muss in diesem Jahr nicht mehr aufkommen. Laschet ist anders als Scholz, und beide unterscheiden sich deutlich von Baerbock. Als Wähler kann man nur sagen: Das ist prima.

Da ist zum einen das unterschiedliche Temperament. Laschet zeigte ein fröhlich-freches Kämpferherz, aber manchmal zeigte er auch seine schnoddrige Art, auf Kritik wahlweise mit Kopfschütteln, Schulterzucken oder einem zerknautschten Gesicht zu reagieren. Wenn Scholz ein nüchterner Eisblock ist, kann man bei Laschet in jeder Sekunde beobachten, wie seine Stimmung sich verändert.

Auch Baerbock zeigte Leidenschaft und Streitlust. Sie will insbesondere bei der Klimapolitik auch mal mit Lautstärke und Zuspitzung punkten. Die Wirkung dort aber bricht sich manchmal mit dem Eindruck auf anderen Feldern, wenn sie plötzlich in Schablonen redet, die zwar entschieden klingen, aber Entscheidendes offenlassen.

Alle Stärken und Schwächen liegen mit diesem Abend auf dem Tisch

Und Scholz? Er kann sehr überzeugend auftreten, wenn er Anwürfe mit ein paar Details pariert, die den anderen fehlen. Doch was cool wirken soll, kommt manchmal zu kühl rüber. So kühl sogar, dass der Eindruck entsteht, manches sei ihm halt doch gleichgültig.

Hinzu kommen Stärken und Schwächen bei den Inhalten und Positionen. Laschet war sehr konkret bei den Konsequenzen aus dem Afghanistan-Desaster, warb für einen Sicherheitsrat im Kanzleramt und den Kauf von bewaffneten Drohnen für die Truppe. Dafür blieb er hinsichtlich der Klima-Maßnahmen beschwichtigend unpräzise. Baerbock versprach sehr konkret und für die ersten hundert Tage Beschlüsse zum Ausbau erneuerbarer Energien; im Gegenzug aber blieb sie bei der Stärkung deutscher und europäischer Außenpolitik zu sehr im Ungefähren. Und Scholz argumentierte bei der finanziellen Machbarkeit von Großprojekten hart und genau, aber gab partout keine klare Antwort auf die Frage, ob er vielleicht doch mit den Linken koalieren könnte.

Alle Stärken und Schwächen liegen mit diesem Abend auf dem Tisch. Das macht es nicht automatisch leichter, sich bei dieser Wahl zu entscheiden. Alle drei sind keine Helden, aber sie bieten echte Alternativen. Und sie sind damit eine gute, lebendige, selbstbewusste Antwort auf all jene, die - leise oder laut - an den Stärken der Demokratie gezweifelt haben.

Zur SZ-Startseite
Wahl-Triell - TV-Diskussion Kanzlerkandidaten

SZ PlusTV-Triell der Kanzlerkandidaten
:Wie Laschets Angriff verpufft

Der Kandidat der Union geht überraschend krawallig ins erste TV-Triell der Kanzlerkandidaten. Doch Baerbock und Scholz setzen danach einige Treffer.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: