Autoindustrie:Wieso Tesla nicht nur Vorbild ist

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Ein Tesla steht in der "Gigafactory" bei Grünheide in Brandenburg. (Foto: Christian Marquardt/Getty Images)

Die Elektroauto-Fabrik in Brandenburg wurde in Rekordzeit fertig. Doch nicht alles ist nachahmenswert bei diesem Großprojekt.

Kommentar von Max Hägler

Die Eröffnung der Tesla-Fabrik in Grünheide an diesem Dienstag glich einem Staatsakt. Bundeskanzler Scholz und Bundeswirtschaftsminister Habeck waren dabei, als Elon Musk die ersten Tesla-E-Autos deutscher Herstellung an Kunden übergab. Vom nächsten Schritt zu einer nachhaltigen Wirtschaft redete der Firmenchef, so als ob Elektrowagen nur gut wären und keine Rohstoffe benötigten und es ihm nicht auch ums Geldverdienen ginge. Als der Milliardär dann noch tanzte und dieses eigenartige Wort "Gigafactory" fiel, da war die Begeisterung kaum zu bremsen. Viele glauben, Deutschland sei nun in der Zukunft angekommen.

Tatsächlich ist ja auch einiges in Bewegung geraten durch diese Investition, die in Windeseile umgesetzt worden ist: Erstmals seit der Wiedervereinigung gibt es in Brandenburg in größerem Stil Industriearbeitsplätze. Die deutschen Automanager haben damit schneller als erwartet den schärfsten Konkurrenten direkt vor der Tür, was die Machtverhältnisse verschieben dürfte, aber auch den Kampf um die besten Technologien beschleunigt.

Was die Geschwindigkeit anbelangt, ist das Tesla-Werk auf ein Vorbild für Deutschland, zumindest auf den ersten Blick: In ziemlich genau zwei Jahren eine große Autofabrik hochzuziehen, ist schon eine Leistung. Das gleicht die Schmach der deutschen Dauerbaustellen aus, ob am Großflughafen BER oder dem Bahnhof Stuttgart 21. Einfach mal machen und nicht andauernd nur Probleme wägen - das geht also sehr erfreulicherweise auch hierzulande.

Von Musks Kraft und der pragmatischen Regiefähigkeit seines Konterparts, des brandenburgischen Wirtschaftsministers Jörg Steinbach, kann das Land insofern lernen. Wie auch von den Stolperfallen, die durch Tesla ersichtlich geworden sind. Die Werkseröffnung gelang nur unter großen Mühen angesichts manch unsinniger und lähmender Regeln. Etwa jener, dass ein Genehmigungsprozess komplett von vorne beginnen muss, wenn ein Bauherr seinen ursprünglich angegebenen Ressourcenverbrauch deutlich senkt. Im Fall von Tesla war das der Wasserverbrauch, den die Firma in den vergangenen zwei Jahren um die Hälfte nach unten korrigiert hat.

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Von Max Hägler

Das "Just do it"-Mindset

Doch Geschwindigkeit um jeden Preis und das Aus- oder vielleicht auch Überreizen von Gesetzen ist gefährlich, auch das hat dieses Großprojekt sehr deutlich vor Augen geführt. Das Grundwasser etwa bleibt knapp, zu knapp, die Planungen der Landesregierung waren hier von Beginn an unzureichend. Vor allem wurden die Bürger und ihre Parlamentarier zu oft übergangen von der Firma des reichsten Mannes des Planeten und der Regierung, die ihm seine Sache ermöglichte. Wenn sich etwa Tesla-Gesandte zufällig einmal ins Parlament bequemten, stellten sie Gesprächsregeln auf - aber verweigerten die Diskussion. Augenfällig absurd auch die Sache mit dem Richtfest im vergangenen Jahr: Elon Musk durfte von Amts wegen vor Ort mit 9000 Fans feiern - während Bürgeranhörungen zur Fabrik ins Internet abgeschoben wurden, unter Verweis auf die anhaltende Corona-Lage.

Das oft gefeierte "Just do it"-Mindset des US-Investors war in Grünheide letztlich ein: Wer zahlt, schafft an! Und so getrieben regierte Brandenburg in einem Stil, den man noch nicht einmal mehr einem wirtschaftsfreundlichen CSU-Ministerpräsidenten zutrauen würde. Diese Spezialbehandlung löst zu Recht ein Störgefühl aus, denn das mitteleuropäische Mindset gründet auf dem Gedanken des Gemeinwohls. Die wirkliche Lernaufgabe, die sich aus der Tesla-Fabrik für kommende Großprojekte ergibt, lautet insofern: Wie kann man das schnelle Machen und das faire Mitreden der Betroffenen besser übereinbringen?

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