Das Ergebnis mutet an wie ein Zahlenwust, die Botschaft aber ist klar. Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst, die wenig verdienen - Müllwerker etwa - sollen ein kräftiges Lohnplus bekommen. Außerdem gibt es eine weitere Gruppe, die ganz klar gewinnt: Pflegekräfte, ob in Krankenhäusern oder Altenheimen. Durch Zulagen kommen sie künftig auf bis zu zehn Prozent mehr Lohn. Das ist ein gutes Signal.
Die Tarifrunde im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen stand somit ganz im Zeichen der Pandemie, denn sie hält gerade für diejenigen etwas bereit, die in den vergangenen Monaten als "Corona-Helden" gerühmt wurden. Die Pandemie macht sich aber auch dadurch bemerkbar, dass die wirtschaftliche Krise im Ergebnis deutlich zu spüren ist. Für Mittel- und Besserverdiener gibt es, bei einer recht langen Laufzeit von 28 Monaten, gerade einmal 3,2 Prozent mehr. Gut möglich, dass dieses Gehaltsplus von der Inflation in den nächsten beiden Jahren zunichte gemacht wird. Bliebe noch die "Corona-Prämie" von 200 bis 600 Euro, die den Beschäftigten in diesem Jahr einmalig gezahlt wird, und die vor allem symbolisch wichtig ist, ähnlich wie die Angleichung der Arbeitszeit in Ost- und Westdeutschland.
Alles in allem ist das Ergebnis ein guter Kompromiss, denn es hält Verbesserungen vor allem für diejenigen bereit, die besonders von der Pandemie belastet waren und sind. Für die anderen gibt es aufgrund der Zwänge entsprechend weniger.
Die Warnstreiks wären den Bürgern besser erspart geblieben.
Das eine sind die Ergebnisse, das andere ist die Frage, wie diese zustande gekommen sind. Da hätte es deutlich besser laufen können. Nach dem Scheitern der zweiten Verhandlungsrunde Mitte September hatte Verdi zu Warnstreiks aufgerufen, es traf nicht nur die Stadtverwaltungen, sondern auch Krankenhäuser und Kindertagesstätten. Eltern reagierten empört, da sie schon wieder eine Notbetreuung für ihre Kinder organisieren mussten, und viele waren besorgt, weil Krankenhäuser den Betrieb einschränkten. Das wäre den Menschen besser erspart geblieben, zumal in diesen Tagen auch die Bus- und Bahnfahrer streiken - diesen Montag wieder in Bayern.
Mancher mag dieses Argument wohlfeil finden und drei Dinge einwenden: Erstens, dass Streiken ein Grundrecht ist. Zweitens, dass Gewerkschaften ihre Mitglieder mobilisieren müssen, um ihre Verhandlungsmacht aufrechtzuerhalten. Drittens schließlich, dass die Streiks ja niemandem wirklich geschadet haben - die Versorgung in den Krankenhäusern etwa war immer sichergestellt. Das alles stimmt, und dennoch greifen diese Einwände zu kurz. Denn durch die Streiks haben die Tarifparteien Ängste in der Bevölkerung geschürt. In Zeiten einer historischen Krise wäre dies unbedingt zu vermeiden gewesen.
Dass es aber so kam, ist nicht die Schuld der Gewerkschaften allein. Die Arbeitgeber haben ihrerseits wenig dazu beigetragen, die Tarifrunde früh in konstruktive Bahnen zu lenken. Sie haben sich zuerst nicht darauf eingelassen, über eine Verschiebung ins nächste Frühjahr ernsthaft zu verhandeln. Dann haben sie darauf verzichtet, in der ersten oder zweiten Verhandlungsrunde ein Angebot zu unterbreiten. Ein bekanntes Ritual, auf das man aber in diesem Jahr hätte verzichten sollen.
Politische Parteien schließen in Krisenzeiten Bündnisse, die über das alltägliche Klein-Klein hinausgehen. Es ist gut, dass sich nun auch Gewerkschaften und Arbeitgeber einig geworden sind. Besser spät als nie.