Afghanistan:Abschieben, das geht nicht

Die Taliban könnten schon bald wieder in Kabul herrschen. Davor darf die Bundesregierung die Augen nicht länger verschließen.

Von Tobias Matern

Es ist kein Geheiminis, wessen Geistes Kind Horst Seehofer in der Asylpolitik ist. Wie ein kleiner Junge über eine Playstation freute er sich einmal an seinem Geburtstag über einen Abschiebeflug nach Afghanistan. Der CSU-Mann will auch weiterhin Menschen zurück in das vom Krieg aufgewühlte Land schicken. Das SPD-geführte Auswärtige Amt stellt sich Seehofer nicht entgegen, sondern nennt die Lage verharmlosend "volatil". Die Lage ist aber nicht volatil, sondern katastrophal. Mehr als die Hälfte Afghanistans steht unter Kontrolle der Taliban. Tendenz steigend.

An dieser Situation trägt die Bundesregierung Mitverantwortung. 20 Jahre lang hat Berlin Soldaten geschickt, trotz dieses Engagements ist Afghanistan nach dem westlichen Einsatz in Aufruhr. Bald könnte genau der Zustand wieder eintreten wie vor dem westlichen Einmarsch: Die Taliban regieren Kabul. Das eigene Scheitern nun an Asylbewerbern abzuladen, auch wenn es sich zum Teil um Straffällige handelt, ist nicht zu rechtfertigen.

Die deutsche Diplomatie ist nach wie vor engagiert, um im Friedensprozess zwischen Taliban und der Kabuler Regierung zu vermitteln. Falls diese Gespräche trotz anderer Vorzeichen gütlich enden und Afghanistan ein friedlicheres Land wird - dann kann in Berlin auch über Abschiebeflüge gerungen werden. Bis dahin wäre es zynisch, die Praxis fortzusetzen.

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