Südkorea:Überraschend Freiheit

Südkorea: In Südkorea lief es in allen Nachrichtensendungen: Die wegen Korruption zu mehr als zwanzig Jahren Haft verurteilte frühere Präsidentin Park Geun-hye wird vorzeitig aus der Haft entlassen.

In Südkorea lief es in allen Nachrichtensendungen: Die wegen Korruption zu mehr als zwanzig Jahren Haft verurteilte frühere Präsidentin Park Geun-hye wird vorzeitig aus der Haft entlassen.

(Foto: Ahn Young-joon/AP)

Die wegen Korruption verurteilte Ex-Präsidentin Südkoreas, Park Geun-hye, wird begnadigt. Ausgerechnet ihrem politischen Gegner und Nachfolger hat sie die vorzeitige Entlassung aus der Haft zu verdanken.

Von Thomas Hahn, Tokio

Die Ex-Präsidentin Park Geun-hye dürfte so überrascht gewesen sein wie alle anderen Menschen in Südkorea auch, als sie von ihrer Begnadigung erfuhr. Keine vier Jahre ist es her, dass ein Gericht in Seoul sie wegen Korruption und Machtmissbrauchs während ihrer Amtszeit von 2013 bis 2017 zu einer jahrzehntelangen Gefängnisstrafe verurteilte. Nach dem Berufungsverfahren hatte sie immer noch insgesamt 22 Jahre abzusitzen. Und der liberale Präsident Moon Jae-in, ihr Nachfolger und politischer Gegner, hatte eigentlich erklärt, niemanden freilassen zu wollen, der wegen Korruption hinter Gittern sitzt.

Nun also doch. Park Geun-hye, 69, einst gefeiert, dann mit Schimpf und Schande aus dem Blauen Haus gejagt, gehört zu den insgesamt 3094 Häftlingen, die eine Amnestie gewährt bekommen. An Neujahr ist sie frei. Weshalb der Sinneswandel? Wollte Moon mit dem Pardon für eine gedemütigte Konservative seiner Demokratischen Partei vor der Präsidentschaftswahl um seine Nachfolge am 9. März einen Vorteil verschaffen? Die Regierungssprecherin dementierte: Man habe ein Zeichen für die nationale Einheit setzen wollen.

Symbolfigur einer alten, konservativen Garde

Ein bisschen mehr inneren Frieden könnte der Tigerstaat gut gebrauchen. Und vielleicht hilft Moons Nachsicht ja wirklich. Park Geun-hye ist die Symbolfigur einer alten, konservativen Garde, die es schwer ertragen kann, dass heute die Demokraten regieren, also die Freiheitskämpfer von früher. Ihr Vater, der General Park Chung-hee, putschte sich 1961 an die Macht und führte das Land im Stil eines Diktators. Ihre Mutter starb 1974 bei einem Anschlag, der dem Vater galt. Danach übernahm Park Geun-hye die protokollarischen Aufgaben einer First Lady. Während der heutige Präsident Moon als Student gegen Park Chung-hee demonstrierte, stand Park Geun-hye an dessen Seite und lächelte. Bis 1979 auch Park Chung-hee ermordet wurde und sie sich ins Privatleben zurückzog.

18 Jahre später kehrte Park Geun-hye in die Politik zurück. Südkorea war mittlerweile eine parlamentarische Demokratie geworden, und auch wenn Park Geun-hye sich zunächst nicht von ihrem Vater distanzierte: Sie machte mit im neuen politischen System. 1998 kam sie erstmals ins Parlament, bewährte sich als Wahlkämpferin und trug zum Wiedererstarken der Konservativen bei. Ende 2012 gewann sie als erste Frau in Südkorea die Präsidentschaftswahl - unter anderem mit dem Versprechen, die Macht der Chaebols, der großen südkoreanischen Wirtschaftskonzerne, besser zu kontrollieren. Ihr damaliger Wahlkampfgegner? Moon Jae-in.

Fremdgesteuerte Scheinregierungschefin

Ein eigenes Politikkonzept hatte Park Geun-hye seinerzeit wahrscheinlich nicht. Der Psychologe Whang Sang-min analysierte 2016 in einem wissenschaftlichen Artikel ihre Persönlichkeit. Ergebnis: Park sei eine "Marionette", eine fremdgesteuerte Scheinregierungschefin. Danach verlor er seine Professur an der Yonsei-Universität in Seoul, aber Whang lag wohl richtig. Ende Oktober 2016 kam heraus, dass Park Geun-hees Jugendfreundin und Beraterin Choi Soon-sil ohne politisches Mandat die Regierungsgeschäfte beeinflusst und mit ihren Kontakten nach ganz oben umgerechnet 60 Millionen Euro von Chaebuls für eigene Stiftungen erpresst hatte.

Hunderttausende demonstrierten danach in Seoul gegen Park Geun-hye, danach ging es Schlag auf Schlag: Amtsenthebungsverfahren, Verurteilung. Sie sah sich als Opfer einer politischen Kampagne, Moon feierte einen späten Sieg. Und nun also die Begnadigung.

Vor allem der schlechte Gesundheitszustand Park Geun-hyes habe den Ausschlag gegeben, teilt die Regierung mit. Drei Mal war sie dieses Jahr schon wegen chronischer Schulter- und Rückenschmerzen im Krankenhaus. Die letzten Tage ihrer Haft verbringt sie auch dort. Ihr Anwalt Yoo Yeong-ha stand vor dem Samsung-Hospital in Seoul, als er Reportern berichtete, wem Park Geun-hee gerade besonders dankbar sei: ihrem alten Feind Moon Jae-in.

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