Strafverhandlung gegen Sebastian Edathy:Beschämt und verdammt

Sebastian Edathy

Der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy kommt Mitte Dezember zur Sitzung des Untersuchungsausschuss des Bundestages in Berlin.

(Foto: dpa)

Am Montag beginnt die öffentliche Strafverhandlung gegen Sebastian Edathy. Es ist eine Verhandlung, die es eigentlich gar nicht geben dürfte. Aber die Strafe, die der Angeklagte vor Gericht zu erwarten hat, dürfte für ihn vergleichsweise lächerlich sein.

Von Heribert Prantl

In der kommenden Woche beginnt die Strafverhandlung gegen den früheren Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy. Es ist dies eine Verhandlung, die es eigentlich gar nicht geben dürfte - weil erstens die Ermittlungen auf suspekte Weise geführt wurden und weil zweitens die Strafe gegen den Angeklagten schon vor Verhandlungsbeginn verhängt und vollstreckt wurde.

Es ist eine Strafe, die im Strafgesetzbuch gar nicht vorgesehen ist. Sie heißt: allgemeine Verdammnis, Ausschluss aus der Gesellschaft und öffentliche Beschämung. Die Strafe, die Edathy vor Gericht zu erwarten hat, wird vergleichsweise lächerlich sein.

Die Regeln des Rechtsstaats gelten für alle Menschen

Man muss den Angeklagten nicht mögen, um dies zu beklagen. Die Regeln des Rechtsstaats samt Unschuldsvermutung gelten nämlich auch für die Leute, die man nicht mag; sie gelten für Mörder und Totschläger, sie gelten für Großbetrüger und für Terroristen. Sie gelten aber offenbar - wenn man die herrschende Ermittlungspraxis ansieht - nicht für Leute, denen vorgeworfen wird, sich Bilder von nackten Jugendlichen bestellt zu haben; sie gelten jedenfalls dann nicht, wenn es sich beim Besteller um einen prominenten Politiker handelt.

Gegen den Generalstaatsanwalt, der für die Inszenierung der Ermittlungen gegen Edathy (und auch für die Ermittlungen gegen den früheren Bundespräsidenten Christian Wulff) mitverantwortlich war, wird mittlerweile selbst ermittelt. Vielleicht tragen diese Ermittlungen dazu bei, dem einen oder anderen Staatsanwalt klarzumachen, dass das Gesetz ihm die Aufgabe der Ermittlung überträgt, nicht die der Vorverurteilung, Vorbestrafung und Vernichtung.

Gewiss: Man möchte nicht regiert werden von einem Mann, der sich an Nacktbildern von Jungen delektiert, ob sie nun strafrechtlich relevant sind oder nicht. Aber: Die öffentliche Empörung, die bei Aufdeckung dieses Faktums zu erwarten war und die erwartungsgemäß im Fall Edathy auch eintrat, ersetzt nicht die sorgfältige juristische Prüfung und die Einhaltung der Regeln von Strafgesetzbuch und Strafprozessordnung.

Eine Staatsanwaltschaft muss zwischen Recht und Moral unterscheiden

Dem öffentlichen Disput ist nicht unbedingt vorzuwerfen, dass er nicht zwischen Recht und Moral unterscheidet. Von einer Staatsanwaltschaft kann und muss man das erwarten. Das unterscheidet die rechtsstaatliche Justiz von der Lynchjustiz.

Strafrechtlich spielt die Intensität des Sexualbezugs der inkriminierten Bilder eine wichtige Rolle; die Staatsanwaltschaft hatte sich, als sie schon lautstark öffentlich ermittelte, um solche Aufklärung und Bewertung nur unzureichend gekümmert. Gegen Edathy wurde daher auf wackeliger Tatsachenbasis eine Razzia angeordnet. Die Ermittler haben die Wohnung Edathys mit Getröte durchsucht, und sodann eine Pressekonferenz inszeniert, bei der auf schmaler juristischer Basis die Vorverurteilung des Beschuldigten nahegelegt wurde. Es ist nicht auszuschließen, dass nach so einer Vorgeschichte der Grundsatz des fairen Verfahrens schon unheilbar verletzt ist.

Auch Edathy hat sich im Lauf der Ermittlungen sonderbar verhalten. Aber die Sonderbarkeiten des Beschuldigen entschuldigen nicht die Sonderbarkeiten der Ermittler. Heinrich Böll hat 1974 die "Verlorene Ehre der Katharina Blum" geschrieben. Einer wie Frank Castorf könnte das Stück nun ganz neu inszenieren.

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