Brauchtum:Die mit dem Stier kämpft

Brauchtum: Clara Sofie Kreutter, 29, stammt aus Bad Berleburg in Nordrhein-Westfalen.

Clara Sofie Kreutter, 29, stammt aus Bad Berleburg in Nordrhein-Westfalen.

(Foto: Privat/dpa)

Clara Sofie Kreutter wollte nur für ein Semester nach Portugal und fand ihre Leidenschaft: den Stierkampf. Jetzt ist sie die erste deutsche Torera. In Spanien wird sie mit Lob bedacht, in Deutschland mit einer Anzeige wegen Tierquälerei.

Von Karin Janker

Freude, Stolz und Erleichterung standen in Clara Sofie Kreutters Gesicht, als sie ihren ersten Auftritt hinter sich hatte. Es war ein heißer Augusttag in der spanischen Mancha, und Kreutter war aufgeregt. Ihr erster Stier hieß "Chirrín", Kreutters finaler Speerstoß saß nicht richtig. Chirrín schleppte sich blutend durch die Arena, ehe er zusammenbrach. Das musste die Nervosität gewesen sein, denn beim zweiten Stier gelang ihr das Töten schneller. Umso mehr strahlte die 29-Jährige, als sie am Ende seine abgeschnittenen haarigen Ohren in den Händen hielt.

Die spanische Presse war gnädig, trotz des Fehlstarts. "Der erste Schritt ist gemacht", hieß es in der konservativen Tageszeitung El Mundo, das "historische Debüt" sei geglückt. Schließlich ist Clara Sofie Kreutter die erste deutsche Stierkämpferin auf der Iberischen Halbinsel. Die Nachrichtenagentur Efe schwärmte von jenem "exotischen Touch", den Kreutters Auftritt dem toreo in der Arena von Ledaña verliehen habe.

40 Auftritte plant sie für dieses Jahr, sie will sich einen Namen machen

Seit jenem Debüt sind einige Monate vergangen, die Stierkämpfe haben Winterpause. Für Clara Sofie Kreutter bedeutet das: tägliches Training mit ihrem Pferd und zahmen Rindern, ehe im Februar die Saison wieder losgeht. Um die 40 Auftritte hat sie dieses Jahr geplant, sie will sich jetzt einen Namen machen. Wäre da nicht jene Strafanzeige, die bei der Staatsanwaltschaft Siegen gegen sie eingegangen ist, wegen Tierquälerei. Erstattet wurde sie von der Tierschutzorganisation Peta, die auf ihrer Webseite über Kreutter schreibt, Tierquälerei könne nach deutschem Recht mit bis zu drei Jahren Haft geahndet werden.

Clara Sofie Kreutter stammt aus der Kleinstadt Bad Berleburg in Nordrhein-Westfalen. Sie studierte Pferdewissenschaften in Wien und wollte in Portugal eigentlich nur ein Auslandssemester machen. Inzwischen lebt sie hier und sticht schon durch ihr Äußeres heraus: Kreutter hat lange blonde Haare und ist fast einen Kopf größer als die meisten hiesigen Toreros. Seit fast fünf Jahren lernt sie jetzt beim Altmeister Jorge D'Almeida die Kunst des Rejoneo, den Stierkampf zu Pferd. "Es ist eine unglaubliche Erfahrung, die Kraft zweier so schöner Tiere wie Stier und Pferd in Einklang zu bringen, um eine künstlerische Darbietung zu erschaffen", sagt sie.

Die für den Kampf gezüchteten Tiere haben ein gutes Leben, sagt sie

Für den künstlerischen Wert des Stierkampfs haben in Spanien und Portugal allerdings immer weniger Menschen etwas übrig. Portugal hat kürzlich das Zutrittsalter zu den Arenen auf 16 Jahre hochgesetzt, um Kinder vor den grausamen Szenen zu schützen - ein Gesetz, das Tierschützer als Etappensieg auf dem Weg zum Verbot feiern. Und in Spanien interessiert sich nur noch ein Viertel der Menschen für den Stierkampf, während 56 Prozent dafür sind, ihn zu verbieten. Ohne Weiteres ist dies nicht möglich, denn Stierkampf gilt seit 2013 als nationales Kulturgut.

Nun haben Tierschutzverbände in der jungen Deutschen die ideale Zielscheibe gefunden. Kreutter sagt schließlich selbst, dass ihr diese Kultur zunächst fremd war. Dass nun gerade sie ein Pferd auf einen blutenden Stier zutreibt, um diesem immer wieder Speere in den Nacken zu bohren, bringt ihr in den sozialen Netzwerken so viel Hass ein, dass sie ihre Profile dort geschützt hat. Für sie klingt es nach Doppelmoral, dass der Stierkampf auch Menschen auf die Barrikaden bringt, die kein Problem damit haben, genüsslich ein Steak zu verzehren. "Die für den Kampf gezüchteten Stiere wachsen draußen vier, fünf Jahre halbwild auf", sagt Kreutter. Vor allem aber gehe es ihr um die Tradition.

Stierkampf zu Pferd wird auf der Iberischen Halbinsel seit dem Mittelalter zelebriert, die Toreros gelten in konservativen Kreisen als Stars. Frauen sind zwar nach wie vor selten, doch Clara Sofie Kreutter hat auch hier Vorbilder: Die wohl berühmteste Stierkämpferin war die Rejoneadora Conchita Cintrón, die 1944 ihr Debüt feierte. Man nannte sie die "blonde Göttin".

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